: „Die letzte Ernte war ohne Gensoja“
Die Agraringenieurin Flavia Londres setzt sich für einen gentechfreien Anbau von Nutzpflanzen in Brasilien ein
taz: Ihre Organisation sagt, dass die Verunreinigung mit Gensoja in Rio Grande do Sul umkehrbar sein wird. Warum?
Flavia Londres: Ich würde nicht sagen, dass die Verunreinigung umkehrbar ist, wenn es sich um Mais handelte. Mais ist eine Pflanze mit einer offenen Befruchtung über Bestäubung, die sich mit größter Leichtigkeit mit allen möglichen Pollen vermischt. Wir haben eine ungeheurer Vielfalt an Varietäten von Mais, traditionelle Varietäten, die kreolisch genannt werden. Wenn wir hier illegalen Genmais angepflanzt hätten, wäre das eine irreversible Katastrophe.
Warum ist es bei Soja anders?
Soja ist nicht ursprünglich eine Pflanze aus Südamerika. Sie kommt aus Asien. Sie hat keine wilden, nahe verwandten Sorten in Brasilien. Und Soja ist ein Pflanze, die eine geschlossene Befruchtung hat. Die Befruchtung über Bestäubung ist nicht häufig, sie ist nicht gleich Null, aber selten. Wir glauben, wenn es eine rigorose Kontrolle gibt, die mit den illegalen Pflanzungen aufhört, könnte diese Verunreinigung mit Gensoja völlig reversibel gemacht werden.
In welchem Zeitraum wäre die Verunreinigung reversibel?
Wenn nur noch mit traditionellen Samen angebaut wird, glauben wir, dass in einer relativ kurzen Zeitspanne die Verunreinigung reversibel ist. Aber das bedeutet eine großes Engagement von Seiten der Regierung.
Ein Bundesstaat, in dem es anders läuft, ist Paraná. Was hat sich dort verändert?
Das Bundesstaat Paraná ist der größte Sojaexporteur Brasiliens. Und heute wird 80 Prozent des Sojas aus Paraná nach Europa ausgeführt. Es gab einen Fall, der in Brasilien in der Presse totgeschwiegen wurde. Wir haben davon aber Kenntnis erhalten. Das war, als vor zwei Jahren eine Ladung Paraná-Soja aus Europa zurückkehrte. Es waren Verunreinigungen mit Gensoja festgestellt worden. Daraufhin wurde die Ladung nach Brasilien zurückgeschickt. Das war eine Warnung an die großen Produzenten. Sie haben sich mit der Landesregierung in Paraná zusammengetan, und diese hat eine rigoroses Kontrollsystem gegen illegales Gensoja eingeführt.
Wie läuft die Kontrolle?
Heute überquert keine einzige Sojabohne die Grenze des Bundesstaats, ohne dass sie von einem Schriftstück begleitet wird, in dem steht, dass sie nicht gentechnisch verändert ist. Die Landesregierung hat 100 Prozent der Saatgutfelder untersucht und festgestellt, dass es keine Verunreinigung mit Gensoja gibt. Die letzte Ernte in Paraná war ohne Gensoja.
Umweltgruppen in Brasilien fordern wissenschaftliche Untersuchungen?
In den Ländern, in denen die Gentechorganismen zugelassen wurden, das sind Kanada, USA und Argentinien, werden sie in großer Menge angebaut. Dort wurden sie ohne gründliche Studien über die menschliche Gesundheit und die Umwelt zugelassen. Im Fall der menschlichen Gesundheit zum Beispiel, haben die USA sich den Terminus der substanziellen Äquivalenz ausgedacht, ein Begriff, der wissenschaftlich kein Fundament hat. Sie sagen, dass die gentechnisch veränderten Nahrungsmittel substanziell äquivalent sind mit konventionellen Nahrungsmitteln. Und dass sie deshalb aus Prinzip kein Risiko darstellen. Dasselbe passierte mit der Umwelt. Sehr wenige Studien wurden zu den Auswirkungen der Organismen auf die Umwelt durchgeführt.
In Brasilien ist unsere Hoffnung groß, dass das anders läuft. Wir haben nun ein Umweltministerium, das sich sehr verpflichtet fühlt, Studien über die Auswirkungen auf die Umwelt zu machen. Das sind sehr komplexe Studien. Sie dauern mehrer Jahre und involvieren die Bevölkerung in öffentlichen Anhörungen.
INTERVIEW: GUDRUN FISCHER