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Archiv-Artikel

Schröder demontiert Rürup

Der Kanzler droht dem Expertengremium mit Auflösung – angeblich wegen Plauderlust. Die Kommission ist dem Regierungschef lästig, weil sie andere Pläne verfolgt als er selbst

BERLIN taz ■ Interessant, was der Kanzler für eine Vorstellung von aufgeklärter Öffentlichkeit hat. „Die Experten sollen sich intern um Lösungen kümmern, nicht mit unausgegorenen Vorschlägen die Bürger verunsichern“, hat Gerhard Schröder laut Bild im Kabinett geschimpft.

Aufgebracht hat den Kanzler angeblich die Plauderlust der Rürup-Kommission. Erst am Montag zitierte die Süddeutsche Zeitung ein Konzept des Gesundheitsexperten und Kommissionsmitglieds Karl Lauterbach. Demnach fordert Lauterbach unter anderem, die Privatversicherungen mehr oder weniger abzuschaffen und die Tabaksteuer anzuheben.

Nichts davon will der Kanzler derzeit mit seiner Regierung verbunden wissen. „Wenn das nicht zu stoppen ist“ – gemeint ist die Veröffentlichung von Konzepten –, „wird die Kommission aufgelöst“, habe Schröder in der SPD-Vorstandssitzung sinngemäß gedroht, wusste gestern die Hannoversche Allgemeine Zeitung. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) hielt es deshalb für nötig, sich am Telefon von Kommissionschef Bert Rürup störungsfreien Betrieb versprechen zu lassen.

Das müsste Rürup noch bis zur zweiten Maiwoche schaffen: Dann soll die Arbeitsgruppe Gesundheit ihre Vorschläge zur Finanzierung des Gesundheitswesens vorlegen. Wie bis dahin die Differenzen zwischen Lauterbach und Rürup überwunden werden sollen, weiß niemand. Die beiden tagen mittlerweile auch unter vier Augen. Lauterbach will mehr Gutverdiener ins bestehende System einbeziehen, Rürup will die Beitragsfinanzierung durch Kopfprämien ersetzen.

Der Kanzler jedoch hat seine Vorstellungen mit der Fraktion bereits abgestimmt und am 14. März in seiner Regierungserklärung verkündet: Krankengeld aus den Kassenleistungen ausgliedern, Patienten draufzahlen lassen und vielleicht auch einen Teil durch Steuern finanzieren. Sowohl Lauterbachs als auch Rürups Pläne gehen ihm viel zu weit. „In der Umsetzung der Rede vom 14. März sind eigenständige Vorschläge der Rürup-Kommission eher hinderlich“, sagte Kommssionsmitglied Frank Nullmeier gestern der taz.

Anders gesagt: Die Kommission ist Schröder lästig geworden. Und das hat mit ihrer „Inkontinenz“ (Zeit) überhaupt nichts zu tun. Selbst die Mitglieder können kaum noch erkennen, wer mit der Weitergabe von Papieren eigentlich welche Zwecke verfolgt. Denn man kann einen Gegner beschädigen, indem man seine Ideen öffentlich zerrupfen lässt. Man kann aber auch die eigene Machtbasis ausbauen, indem man sich öffentlich profiliert. „Es ist alles völlig bizarr“, sagte gestern ein Mitglied der taz: „Ich jedenfalls traue keinem mehr über den Weg.“

ULRIKE WINKELMANN

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