: Grüne Basis setzt Parteitag durch
Diskussion über Sozialreformen soll Mitte Juni stattfinden. Auch beim Koalitionspartner SPD formuliert die Linke bereits Forderungen an Schröder
aus Berlin ULRIKE HERRMANN
Die Basis hat sich durchgesetzt, es wird einen grünen Sonderparteitag über die geplanten Sozialreformen geben. Das nötige Quorum ist erfüllt: Mehr als zehn Prozent der 474 Kreisverbände verlangen inzwischen, beim Sozialumbau mitzuentscheiden. 44 Kreisverbände haben dies satzungsgemäß auf Mitgliederversammlungen beschlossen, weitere 18 Kreisvorstände kündigten entsprechende Voten an.
Zwar sind beim Bundesvorstand erst 26 Protokolle dieser Mitgliederversammlungen eingegangen, doch zweifelt niemand mehr, dass die fehlenden Dokumente irgendwann eintrudeln. Die Parteispitze sucht bereits nach einer geeigneten Halle – für den 14./15. Juni. Ursprünglich sollte da nur ein kleiner Parteitag stattfinden, der Länderrat.
Aber ist Mitte Juni nicht zu spät, um noch Einfluss zu nehmen? Schließlich hat Kanzler Schröder den Zeitplan für seine „Agenda 2010“ längst verkündet: „Bis zur Sommerpause“ will er sein Reformpaket durch den Bundestag bringen. Der Münsteraner Wilhelm Achelpöhler, Initiator der Basis-Initiative, ist unbesorgt – sieht er doch seine Parteispitze in der Pflicht, die grünen Termine mit dem Zeitplan des Kanzlers zu koordinieren. In den Anträgen der Mitgliederversammlungen heißt es: „Wir erwarten, dass die Bundesdelegiertenkoferenz vor einer Beschlussfassung im Bundestag durchgeführt wird.“
Die Parteispitze ist ratlos, wie sie mit dem Dissens umgehen soll. So kann Fraktionschefin Krista Sager „keine einheitliche Linie“ bei den Kritikern erkennen. Ob gelockerter Kündigungsschutz, Kappung der Arbeitslosenhilfe oder Kürzung des Arbeitslosengeldes – „es gibt völlig unterschiedliche Bewertungen der Einzelmaßnahmen“. Diese Einschätzung teilt Achelpöhler sogar. Deswegen lädt sein Kreisverband Anfang Mai zu einem „Beratungstreffen“, um die Parteitagsanträge zu koordinieren.
Inzwischen gärt es auch bei der SPD. Der Abgeordnete Ottmar Schreiner kündigte an, er werde auf jeden Fall gegen die Kanzlervorschläge stimmen. So deutlich haben sich andere Linke noch nicht positioniert. Man sei in einem „Prozess“, sagte Fraktionsvize Michael Müller gestern. Dazu gehört, dass die „parlamentarische Linke“ Arbeitsgruppen gebildet hat, um Alternativkonzepte zu entwickeln. „Drei entscheidene Forderungen“ an Schröder sind schon formuliert: Durch die Reformen „darf niemand durch den Rost fallen“, sie müssen „ausgewogen“ und „innovativ“ sein. Was Müller beispielsweise in den Kanzlerpapieren vermisst: „Man muss die ökologische Modernisierung zur Jobmaschine machen.“
Anders als bei den Grünen hat bei der SPD die Basis noch nicht gegen den Kanzler mobilisiert. So hat Müller in der letzten Woche „jede Menge Veranstaltungen“ absolviert, wurde aber „nirgends unter Druck gesetzt“. Auch das linke SPD-Vorstandsmitglied Andrea Nahles hat den Eindruck, dass viele „eher resignativ reagieren“. So zählt ihr Kreisverband Mayen-Koblenz „überproportional viele Parteiaustritte“.