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Archiv-Artikel

Hamburger SPD fürchtet Flächenbrand

Nach der überraschenden Niederlage des Parteilinken Niels Annen brechen in der Hamburger SPD alte Flügelkämpfe wieder auf. Führende Sozialdemokraten werfen ihrer Nachwuchsorganisation parteiinternen „Putsch“ vor

Am Tag nach der Wahlniederlage des SPD-Linken Niels Annen gegen seinen wenig profilierten Herausforderer Danial Ilkhanipour im Kampf um den Bundestags-Wahlkreis Hamburg-Eimsbüttel zählte nur Schadensbegrenzung: Annen abserviert, Kreischef Jan Pörksen vor dem Aus, der Landesvorsitzende Ingo Egloff angeschlagen und das Aushängeschild der Parteirechten, Johannes Kahrs, angezählt. Eine Partei zerlegt sich selbst.

Was war geschehen? Im Oktober hatte der Hamburger Juso-Chef Ilkhanipour angekündigt, gegen Annen als SPD-Direktkandidat in Eimsbüttel anzutreten. Bald stellte sich heraus, dass der gebürtige Iraner schon vorher „generalstabsmäßig Jusos angekarrt“ habe, so SPD-Kreischef Jan Pörksen, um in den Distriken die Wahl der Deligierten für die Nominierungsversammlung zu manipulieren.

Kreischef Pörksen schrieb einen Brandbrief gegen Ilkhanipour, Landeschef Ingo Egloff nahm sich den Juso-Chef zur Brust und Bundeschef Franz Müntefering widerum übte Druck auf Egloff aus, die Kandidatur des Juso-Chefs zu verhindern. Vergebens. Mit 45 Stimmen der SPD-Deligierten, darunter vielen Mitgliedern, „die wir“, so ein Eimsbüttler SPD-Funktionär, „hier noch nie gesehen haben und wohl auch nicht wieder sehen werden“, gelang die Kampf-Kandidatur des 27-Jährigen.

Mit nur einer Stimme weniger musste sich Annen denkbar knapp geschlagen geben. Sofort nach der Abstimmung bot Pörksen seinen Rücktritt an, doch die SPD entschied, Personalfragen erst im Laufe der Woche zu diskutieren. Nun wird nach „einer Lösung gesucht, bei der zumindest Teile des bisherigen Vorstandsteams im Amt bleiben“, verrät ein Eimsbüttler SPDler. Denn das leckgeschlagene Führerschiff soll nicht führungslos dahintreiben oder gar den „Putschisten“ überlassen werden.

Während intern bereits darüber diskutiert wird, in welchen Parteiämtern Annen seine bevorstehende vierjährige Bundestagspause so überbrücken kann, dass das „außenpolitische Talent“ nicht in Vergessenheit gerät, ist vor allem Ingo Egloff beschädigt, da dieser die Kandidatur nicht verhindern konnte.

„Es war die erste Schlacht eines beginnenden Krieges“ bewertet ein Eimsbüttler Sozi das Eimsbüttler Waterloo martialisch, während ein anderer Genosse von einem „Buschfeuer“ spricht, dass „in einen Flächenbrand ausufern“ könne. Intern wird befürchtet, dass die Juso-Truppe, zu der auch der Sohn von Hamburgs Ex-Bausenators Eugen Wagner gehört, mit weiteren Putschversuchen ihren Einfluss in der SPD stärken will. Ein Genosse: „Jetzt muss sich Egloff als Feuerwehrmann beweisen.“

In die Schusslinie geraten ist nach der Annen-Abwahl auch Johannes Kahrs, SPD-Bundestagsabgeordneter von Hamburg-Mitte und Sprecher des Seeheimer Kreises der Parteirechten. Sein ehemaliger Mitarbeiter Ilkhanipour gilt als sein Intimus. Zwar habe „Kahrs den Meuchelmord an Annen nicht angezettelt“, so ein Sozi, er hätte ihn aber „problemlos verhindern können und müssen“. MARCO CARINI

inland S. 6