: Atomsicherheit im Nebel
Terror aus der Luft gegen Norddeutsche Atommeiler: Behörden ducken sich weg, Umweltverbände verlangen Abschaltung von Brunsbüttel
Aus Hamburg Marco Carini
Nebelkerzen allerorten. Auch nach Bekanntwerden der Geheimstudie über die Auswirkungen eines gezielt herbeigeführten Flugzeugabsturzes auf ein Atomkraftwerk mögen die zuständigen Aufsichtsbehörden keine Farbe bekennen. So teilt etwa das Bundesumweltministerium mit, man nehme aus Sicherheitsgründen zu Veröffentlichungen über die „Auswirkungen eines terroristischen Flugzeugangriffes auf Kernkraftwerke grundsätzlich keine Stellung“.
Das von der Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) erstellte Gutachten zeigt auf, dass Atommeiler einem Angriff aus der Luft fast schutzlos ausgeliefert wären. In Norddeutschland verfügt der Uralt-Meiler in Brunsbüttel über den schlechtesten Schutz gegen Flugzeugabstürze – beim Aufprall eines Passagierjets auf den Reaktor wäre ein Super-GAU fast unvermeidlich.
Um das zu verhindern, prüft die Trittin-Behörde derzeit ein Schutzkonzept der Stromanbieter, wonach „ein angegriffenes Kernkraftwerk in wenigen Sekunden durch eine künstliche dichte Nebelwand großflächig verhüllt wird“, um möglichen Terrorpiloten die Orientierung zu nehmen. Die Prüfung soll Ende März abgeschlossen sein.
Darauf will Greenpeace nicht warten: Die Umweltorganisation reichte im vergangenen Oktober eine Untätigkeitsklage gegen das für die schleswig-holsteinische Atomaufsicht zuständige Kieler Sozialministerium beim Oberverwaltungsgericht ein – um die Behörde zu zwingen, zumindest Brunsbüttel vom Netz zu nehmen. Greenpeace-Atomexpertin Susanne Ochse: „Hier ist der akute Handlungsbedarf am größten“.
Den sieht man im Sozialministerium nicht, schon weil eine Zwangsabschaltung automatisch millionenschwere Schadensersatzklagen der Betreiber auslösen würde. Stattdessen dringe Kiel „darauf, dass der Bund sich rasch mit den Ländern auf ein gemeinsames Vorgehen verständigt“, erklärt Ministeriumssprecherin Elisabeth Zimmermann.
Karl-Martin Hentschel, Fraktionschef der Grünen im Kieler Landtag fordert ebenfalls ein „gemeinsames Vorgehen von Bund und Ländern“. Hentschel: „Die Sicherheitslage hat sich entscheidend geändert. Der Absturz einer Passagiermaschine auf ein AKW ist seit dem 11. September 2001 kein vernachlässigbares Restrisiko mehr.“
Ziel müsse es deshalb sein, die Kraftwerkseigner per Atomgesetzänderung zu zwingen, die Reaktorhüllen so nachzurüsten, dass sie dem Aufprall eines Jumbos standhalten. Eine Nachrüstung, die – falls technisch überhaupt möglich – Milliardeninvestitionen und deshalb sichereine Klage der Stromkonzerne nach sich ziehen würde. Hentschel: „Das stehen Bund und Länder nur gemeinsam durch.“