: Weiße Zähne zeigen
Kann man mit Zahnfarbe C 4 weiterkommen im Leben? Martina di Lorenzen sagt: Nein – außer man bleicht sich die Zähne. Dafür hat sie Deutschlands erste „Wellness-Lounge für Zähne“ gegründet
AUS HAMBURG ASTRID GEISLER
Martina di Lorenzen braucht kein Schaufenster, sie muss nur lächeln. Die Unternehmerin trägt die Lippen dunkel umrandet, und dazwischen funkelt es ungewöhnlich. Das sind ihre Ausstellungsstücke: Zähne. Sie sollen 35 Jahre alt sein, so wie di Lorenzen. Doch sie wirken blank, als wäre stets nur Quellwasser darüber geperlt. Man darf schauen und staunen. Die Hamburgerin ist eine Kapazität. Von weither pilgern Menschen zu ihr, machen sie reich. Fast alle Lifestyle-Blätter haben schon über sie berichtet. Di Lorenzen hat die erste „Wellness-Lounge für Zähne“ in Deutschland gegründet. Seither wird sie gefeiert als Vorkämpferin eines umstrittenen Trends aus den USA: Bleaching – Zähnebleichen.
Ihr Geschäft sind Nuancen. In Wahrheit geht es jedoch um die großen Fragen des Lebens, um Ängste, Hoffnungen und Träume, wenn sie der Kundschaft ihre Zahnfarbpalette zum Abgleich vorhält. Was erzählt der C-4-Zahn am tristen Ende der Palette? Er sieht aus, als sei er dem Mund eines verwahrlosten Rotweintrinkers entnommen. Kann man mit C 4 weiterkommen im Leben? Für di Lorenzen ist das eine ernste Frage. Zahnfarbe und Erfolg, sagt sie, „gehen miteinander einher“. Ihre Formel: Wer weißer lächelt, wirkt sympathischer – wer sympathischer ist, hat mehr Erfolg.
Die Unternehmerin verspricht ihrer Kundschaft die Vorstufe zum Glück, das „erfolgreiche Lächeln“. Der Weg dorthin führt über eine beheizte Behandlungsliege. Man bekommt ein Lavendelkissen auf die Augen, Carbamidperoxid-Gel in den Mund, und zwei Stunden später soll das Gebiss um sieben bis acht Farbstufen heller sein. Die Lebenshilfeprozedur hat ihren Preis: 500 Euro – „ein Glas Champagner inklusive“.
Dafür empfängt die „Lounge“ am feinen Hamburger Alsterufer mit einem Pomp, als wäre Bleaching ein Zeremoniell zu Ehren von Apollonia, der Schutzheiligen der Zahnleidenden. Die Hausherrin führt im schwarzen Schlauchkleid durch opulente Räume: Römische Büsten, Buddhafiguren, Kristalllüster an der Decke, Orchideen und flackernde Kerzen, wohin man blickt. Alles ist in Weiß gehalten. Allein das Wartezimmer wäre groß genug, um eine ganze Zahnklinik aufzunehmen. Bei ihr habe noch keiner über Gesundheitsreform und Praxisgebühr gejammert, versichert die Geschäftsfrau: „Meine Zielgruppe gibt eher mal 10 Euro Trinkgeld.“
Gut 1.500 Gebisse hat di Lorenzen in zwei Jahren gebleicht. Inzwischen vergibt sie auch Lizenzen an Geschäftspartner. Im Herbst hat die zweite „Lounge“ in einer noblen Hamburger Einkaufspassage eröffnet. Filialen in Düsseldorf, München und Frankfurt sollen folgen.
„Ich bin Marktführerin in Deutschland, weil ich auf dem Gebiet einen riesigen Wissensvorsprung habe“, sagt sie. Allerdings hat di Lorenzen nie Zahnmedizin studiert, sondern vor ihrem Neuanfang in der Beautybranche als diplomierte Kommunikationswirtin eine Werbe- und PR-Agentur geleitet. Trotzdem schult sie inzwischen auch Zahnärzte. Ihre Zahnkunde hat sie sich angelesen, in Fortbildungskursen gelernt oder bei Profis im Bleaching-Mutterland USA abgeschaut. Damit hat die Geschäftsfrau vielen in der Branche vermutlich sogar einiges voraus. Denn Zahnkosmetiker wird man schnell in Deutschland: Der Interessenverband Zahnkosmetik e.V. macht Quereinsteiger in nur zwei Monaten zu zertifizierten Fachleuten.
Di Lorenzen findet das unbedenklich. „Es gibt kein Gefahrenpotenzial bei der Behandlung“, sagt sie. In nur drei Jahren werde Bleaching auch in Deutschland selbstverständlich sein, keiner werde mehr nach Risiken fragen. Dass angesehene Wissenschaftler raten, nur unter zahnärztlicher Aufsicht zu bleichen, sagt sie nicht. Laut der Zahnmedizinerin Mozhgan Bizhang von der Berliner Charité ist die Prozedur zwar meist unbedenklich. Für Patienten mit beschädigten Zahnoberflächen könne sie aber „ganz, ganz gefährlich“ werden.
Von solchen Komplikationen steht in der dicken Werbemappe des „White Room“ nichts. Stattdessen liegen Erfahrungsberichte begeisterter Kunden bei. Echte Erfolgstypen sind darunter, Typen wie Bernd Thomsen, Chef der Managementberatung Thomsen Group. „Ich wasch einmal täglich Haare“, gibt er zu Protokoll, „dusch zweimal täglich und putz oft dreimal die Zähne. Ganz normal. Klar, dass ich auch Bleaching nutze.“ Zu schade, dass er auf dem Foto mit geschlossenem Mund lächelt. Vielleicht ist der letzte Termin bei di Lorenzen einfach schon zu lange her. Denn aufgehellte Zähne vergilben wieder. „Bis zu drei Jahre“ hält der Effekt laut Prospekt. Und wie oft hat die Chefin ihre Zähne schon gebleicht, seit sie vor fünf Jahren das Bleaching entdeckte? Di Lorenzen zögert lange. „Viermal bestimmt“, sagt sie schließlich.