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Archiv-Artikel

Das andere Level

In Oberstdorf finden am Wochenende zwei Skiflug-Weltcups statt. Die Athleten freuen sich darauf

OBERSTDORF taz ■ Skifliegen – das klingt so ganz anders als: Skispringen. Fliegen, das bedeutet doch schweben, in der Luft dahingleiten und das Außergewöhnliche genießen. Springen, im Winter fast jedes Wochenende zu sehen, wirkt dagegen simpel und fast schon alltäglich. Die weltbesten Skispringer wagen sich im Februar gleich zweimal an die Skiflug-Schanzen. Weil Fliegen noch ein wenig mehr als Springen ist. Weil die Zuschauer noch faszinierter zuschauen. Und weil auch im Skifliegen ein Weltmeister gekürt werden muss.

Am Wochenende in Oberstdorf stehen zunächst zwei Skiflug-Weltcups auf dem Programm. Für den Ort im Allgäu ist dies gleichsam ein Probelauf für die nordische Ski-WM 2005. Und zwei Wochen später ermitteln die Springer ihren Skiflug-Weltmeister im slowenischen Planica, auf der größten Schanze der Welt.

„Unglücklich“ nennt Ernst Jakob, der Teamarzt der deutschen Springer, diese Terminkonstellation, weil sich Experten einig sind, dass Fliegen für die Athleten anstrengender ist als Springen. Und zumal zwischen den beiden Skifliegen auch noch der Springer-Weltcup in Willingen ansteht. Zumindest Sven Hannawald wird sich diesen Stress ersparen. Obwohl er dank zweier WM-Titel in den vergangenen Jahren der dominierende Skiflieger war, verzichtet er auf den Start in Oberstdorf und will stattdessen lieber trainieren. Hannawald, das konnte man zuletzt deutlich erkennen, durchläuft ein Formtief, das er offenbar auch in intensiven Trainingseinheiten in Lillehammer noch nicht überwunden hat. „Skifliegen können nur Athleten, die hundertprozentig fit sind“, sagt Team-Arzt Jakob. Weil: „Skifliegen ist noch einmal ein anderes Level.“ Ein Flug dauert rund sieben Sekunden, in Planica, wo der Finne Matti Hautamäki mit 231 m zum Weltrekord geflogen ist, sogar noch etwas länger. „Das ist eine große Anstrengung“, erklärt Jakob. Zudem gibt es kein spezielles Skiflug-Training. Man reist an, sieht die Schanze, steigt hinauf – und versucht hinunterzufliegen.

Wenn es zum Skifliegen geht, werden seitens der Aktiven stets die Vorzüge dieser Spezialdisziplin hervorgehoben. „Ich freue mich total drauf. Wenn’s gut geht, ist damit für einen Skispringer das schönste Gefühl in der Luft verbunden“, findet etwa Michael Uhrmann. Und Martin Schmitt ist sich schon jetzt sicher: „Es gibt bestimmt tolle Wettkämpfe.“

Mediziner Jakob hat dennoch erkannt: „Sie werden müder als sonst. Der Schlaf in der Nacht ist nicht so tief und nicht so lang. Das sind Tage höchster Anspannung.“ Von diesen Erfahrungen kann auch Jens Weißflog erzählen. „An einem Skiflug-Tag ist man extrem mit sich selbst beschäftigt. Irgendwie nimmt man nur noch sich und die Schanze wahr, alles andere verschwimmt“, sagt der dreimalige Olympiasieger aus Oberwiesenthal.

Um erfolgreich zu fliegen, muss die Technik sitzen, müssen der Mut zum Risiko und gleichzeitig das Wissen um die Gefahr im richtigen Maße vorhanden sein. Denn auch das Verletzungsrisiko ist größer als beim Springen, weil es mehr Fehlermöglichkeiten gibt, so Ernst Jakob. Er sagt aber auch: „Zum Glück ist in letzter Zeit nichts mehr passiert.“ KATHRIN ZEILMANN