Solidaritätsadressen für Alain Juppé

Beim Kongress der konservativen europäischen Parteien in Brüssel geht es weniger um Inhalte denn um Unterstützung für den verurteilten französischen Politiker. Angela Merkel äußert sich erneut skeptisch über Beitrittsverhandlungen mit der Türkei

AUS BRÜSSEL DANIELA WEINGÄRTNER

Für Unterhaltung war gesorgt beim Kongress der konservativen europäischen Parteien gestern in Brüssel. Junge italienische Journalisten klatschten Beifall und brachen in lautes Gelächter aus, als Silvio Berlusconi, Italiens Regierungschef und Chef der Forza Italia, im Stil eines Mafia-Paten die „politische Justiz“ anprangerte, die auch seinem Parteifreund Alain so übel mitgespielt habe. Alain Juppé, der kürzlich wegen einer Parteispendenaffäre in Frankreich zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde und zehn Jahre nicht mehr für politische Ämter kandidieren darf, konnte sich ohnehin vor Solidaritätsadressen kaum retten. Auch Angela Merkel grüßte ihn herzlich.

Die EVP-Delegierten im Plenarsaal des Brüsseler Europaparlaments blieben erstaunlich matt, als Silvio Berlusconi von einem Kompliment seiner Tante („Sie hielt mich schon immer für einen schönen Mann“) zu „wider Europe“ inklusive Türkei, Ukraine und Russland überleitete. „Wir haben dieselben Werte, alle, die hier versammelt sind!“, rief er den Delegierten zu. Der schwache Beifall zeigte, dass nicht alle Zuhörer das als Kompliment auffassten. Beim Thema Kommunismus stimmte Berlusconi erstaunlich milde Töne an. Die Delegierten aus Osteuropa hatten eine Resolution entworfen, die ehemalige Mitglieder kommunistischer Parteien von politischen Ämtern in der EU ausschließen sollte. Der Spitzenkandidat der deutschen Sozialdemokraten für die Europawahl, Martin Schulz, hatte angemerkt, dass dann auch der in Deutschland so geschätzte ungarische Expremier und Karlspreis-Träger Gyula Horn seinen Listenplatz für die Europawahl aufgeben müsste.

„Diese Leute sind nicht gefährlich!“, rief Berlusconi. Auch in Italien gebe es solche Kommunisten. Viel gefährlicher seien „linke U-Boote, sie sitzen überall, auch in Italiens Fernsehanstalten“. Am Ende wurde die Kommunismus-Resolution entschärft: „Wer Teil der repressiven kommunistischen Exekutivorgane gewesen ist oder in Verbrechen gegen die Menschlichkeit verwickelt war, soll keinen europäischen Posten annehmen.“

Wie eine Pflichtübung absolvierte der Luxemburger Premier Jean-Claude Juncker seinen Auftritt im Brüsseler Plenarsaal. Am Tag zuvor hatte er im Südwestrundfunk bekannt gegeben, dass er für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten nicht zur Verfügung stehen werde.

Freundlichen Beifall erntete Angela Merkel, die EVP-Präsident Wilfried Martens als würdige Nachfolgerin des großen Europäers Helmut Kohl feierte. Am Vortag hatte sie daran erinnert, dass auch die Aufnahmefähigkeit der EU ein Kopenhagener Kriterium sei. „In diesem Licht ist zu beurteilen, ob es sinnvoll ist, sich im Reformprozess mit Beitrittsverhandlungen der Türkei zu belasten. Die CDU hat Zweifel.“ Die EVP offensichtlich weniger. Der These des türkischen Außenministers Abdullah Gül, den Europäer erkenne man heute weniger an Geografie oder Religion als an der Denkart, widersprachen die Delegierten nicht.

Schließlich, so werden sich viele gesagt haben, sind unter dem Dach der EVP ja auch unvereinbar erscheinende Positionen zu Hause. Das wird die konservative Fraktion im neuen Europaparlament wieder zur stärksten Kraft machen. Wahlkampfprogramme allerdings schreiben sich zäh unter diesen Bedingungen. Doch auch hier weiß Silvio Rat. Griffige Slogans müssten her: „Weniger Steuern für alle! Mehr Sicherheit für alle! Mehr Arbeitsplätze für die Jugend!“