Rumsfeld im Schlamassel

Offensive gegen Bagdad muss auf Verstärkung warten. Manche Soldaten an der Front erhalten wegen Versorgungsengpässen nur noch eine Mahlzeit am Tag. Pentagon-Mitarbeiter beschuldigen Verteidigungsminister: „Das ist Rumsfelds Schlamassel“

BERLIN taz ■ Eine zu geringe Truppenstärke, die heftige Gegenwehr der irakischen Armee und eklatante Versorgungsprobleme haben die Bodenoffensive der USA und Großbritanniens offenbar zum Stillstand gebracht. Nach einem Bericht der Washington Post kamen US-Präsident Bush und sein Beraterstab am Samstag darin überein, die Vorbereitungen für eine Bodenoffensive gegen Saddam Husseins Elitetruppe Republikanische Garden weiterzuführen, zugleich aber zu warten, bis Verstärkung eintrifft. Das allerdings kann Wochen dauern. Oberbefehlshaber Franks schloss gestern nicht aus, dass sich der Krieg bis zum Sommer hinziehen könnte. „Man kann es nicht wissen“, sagte er.

In den nächsten Wochen soll die Zahl der US-Soldaten im Golfkrieg um 100.000 erhöht werden. Militärisches Gerät, das ursprünglich für den Nordirak bestimmt war, befindet sich derzeit auf dem Weg nach Kuwait, die Soldaten sind noch in den USA.

US-Soldaten im Zentralirak erklärten gegenüber Reuters, ihnen sei erklärt worden, der Vormarsch der Bodentruppen gegen Bagdad könne einige Wochen pausieren. Reporter berichteten, es sehe so aus, als lasse man sich für mindestens zwei Wochen nieder. Die Luftangriffe auf Bagdad und andere Ziele gehen dagegen unvermindert weiter.

Zuvor hatte die Armeeführung eine sechstägige Pause des Vormarschs dementiert. Auch Bush und Franks lehnten eine Pause ab. „Wir haben keine Pläne für Pausen oder Waffenstillstände“, sagte US-Verteidigungsminister Rumsfeld. Angesichts eines Selbstmordanschlags kündigte US-Generalstabschef Myers eine Änderung der Taktik an.

Die Truppen der Kriegskoalition leiden offenbar unter Nachschubproblemen zwischen der Front und dem 500 Kilometer entfernten Kuwait. Es fehle an Bohnen, Wasser, Munition und Verbandszeug, berichtete die britische Times. Panzer würden wegen des hohen Spritverbrauchs sparsam eingesetzt. Soldaten erhielten nur noch eine Essensration pro Tag, meldete dpa. Oberbefehlshaber Franks sagte, es gebe nur einzelne Probleme.

US-Offiziere machen Rumsfeld persönlich für die zu geringe Truppenstärke verantwortlich. Mehr als ein Dutzend von der Washington Post interviewte Offiziere erklärten, Rumsfeld habe mit seiner Entscheidung, wichtige Truppeneinheiten in den USA und Deutschland zu belassen, ein schweres Risiko in Kauf genommen. Als Ergebnis dieser Planungen sei die Iraktruppe zu klein, zu schwach bewaffnet und schlecht versorgt.

Das Magazin The New Yorker schreibt unter Berufung auf Kreise des US-Verteidigungsministeriums, Rumsfeld habe mindestens sechsmal mit Erfolg darauf beharrt, die ursprünglich geplante Truppenstärke zu reduzieren. „Er war jedesmal der Entscheidungsträger“, so ein Pentagon-Mitarbeiter. „Dies ist der Schlamassel, in den sich Rumsfeld selbst gebracht hat.“ Den Vorschlag des Oberkommandierenden, Generals Franks, die Bodenoffensive zu verschieben, bis die ursprünglich für die Nordfront vorgesehenen 62.000 Soldaten über Kuwait in den Irak gelangen könnten, habe Rumsfeld ignoriert. Franks sagte gestern, er habe vor den Bodenkämpfen nicht mehr Truppen angefordert. Rumsfeld dementierte Meinungsverschiedenheiten.

Noch Anfang Februar hatte sich Rumsfeld optimistisch über einen raschen Kriegserfolg geäußert: „Er könnte sechs Tage oder sechs Wochen dauern. Ich bezweifle aber sechs Wochen.“ KLH