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Archiv-Artikel

„Ich brauch noch eine Feindes-taz“

Bild und taz: Gibt es da Annäherung? „Das ist abwegig“, sagt der Medienexperte Behmer

taz: Herr Behmer, wo schauen Sie bei der taz als Erstes hin?

Markus Behmer: Auf die Schlagzeile, oft auf das „verboten“. Weiter geht es mit TOMs Touché und der Wahrheit. Danach lese ich von hinten nach vorn.

Und bei Bild?

Schlagzeile, dann weiter von vorn nach hinten.

Irgendwelche Ähnlichkeiten?

Klar: Beide haben relativ wenig Seiten und immer mal wieder lustige Schlagzeilen. Dazu ein rotes, Aufmerksamkeit heischendes Logo und vergleichsweise wenig Werbung. Bild ist oft geschmacklos, die taz zum Glück manchmal auch. Die taz hat „verboten“, Bild „Post von Wagner“. Das liest man am besten auch als skurrile Satire, obwohl es wohl ernst gemeint ist.

Studenten besetzten die taz, weil sie meinten, es gebe zwischen Bild und taz keine Unterschiede mehr.

Dass sich besonders die taz immer wieder scharfer Kritik gerade von links ausgesetzt sieht, hat viel mit ihrer Gründungstradition als Bewegungszeitung zu tun. Wenn dann ihr Blatt nicht so schreibt, wie sie es gerne hätten, reagieren sie sauer. Die taz hat aber immer noch kritisches Potenzial. Auch nachdem die Grünen 1998 an die Macht kamen, wurde sie nicht zum Regierungsblatt. Sie ist nach wie vor unbequem, auch wenn sie eine normale Tageszeitung geworden ist und damit etwas weg vom Prinzip Gegenöffentlichkeit der Anfangs- und Aufbruchsjahre. Darstellungsformen und Inhalte sind aber oft noch andere als in üblichen Zeitungen.

Die Meldung, dass Angelika Beer Angst hat um ihr Zöpfchen, hat Bild nachgedruckt. Das hätte es früher nicht gegeben.

Aber klar hat die taz auch mal eine Human-Touch-Meldung, die ist aber meist satirisch verpackt. Bei Bild dagegen sind die Celebrity-Storys durchgängiges Prinzip. Fast alles dreht sich um Superstars und Sternchen, um Fußballerfrauen, untreue Männer und arme Reiche, die Krankheiten oder Lebenskrisen durchzustehen haben.

Und die Feindes-taz? Das war doch Verbrüderung mit dem Feind.

Vor allem aber eine gute PR-Idee und eine lustige Sache. Ähnliche Aktionen haben schon Tradition: Schriftsteller-taz oder Karikaturen-taz. Und kaum einmal gab es so eine intensive Berichterstattung in anderen Zeitungen. Ich finde es auch bemerkenswert, dass gerade Bild-Chef Kai Dieckmann mitgemacht hat. Aber Verbrüderung mit dem Feind? Nein. Übrigens, doofe Frage …

Es gibt keine doofen Fragen. Bitte.

Könnten Sie eine Feindes-taz für mich auftreiben? Ich bin damals an fünf Kioske gelaufen, überall war sie ausverkauft. Ich kenne sie nur als Bibliotheksexemplar, und hätte sie sehr gern.

Kein Problem.

Apropos Ähnlichkeit mit Bild: Richtig schön fand ich die taz-Nummer zum 50. Geburtstag der Bild, als die äußere Ähnlichkeit bewusst gesucht wurde. Die taz hat das Seite-1-Layout und die Sprache à la Bild eins zu eins kopiert, um zu sagen: Das könnte die taz auch, will es aber nicht. Eine sehr gelungene und überraschende Aktion, für die man die taz ja auch schätzt.

Aber tazzwei ist Boulevard pur.

tazzwei hat Magazincharakter. Wenn das Zeichen einer Boulevardisierung ist, so könnte man das auch bei der Zeit konstatieren mit ihrer Beilage „Leben“ – oder bei der Süddeutschen Zeitung mit ihrer neuen Wochenendbeilage. Dass sich nun aber Zeit oder SZ und Bild immer ähnlicher würden, habe ich noch nicht gehört.

Und die Grand-Prix-Aktion?

Ja, da hatten Bild und taz wirklich mal was gemeinsam. Aber das ist keineswegs typisch für die taz; höchstens insofern, als es etwas Verspieltes hatte, was Überraschendes – und damit muss man bei der taz immer mal rechnen.

Die taz ist kein linker Boulevard?

Wenn Boulevard für Verknappung, auch Überspitzung steht, um die Leser direkt zu packen, dann schon. Manche Infos, gerade auf der Titelseite, kommen ganz knapp rüber – und haben auch schon eine gewisse Tendenz. Das ist eine Technik, deren sich gerade Boulevardzeitungen bedienen. Auch wird in der taz nicht immer sauber getrennt zwischen Fakt und Meinung – ein bewusstes Stilmittel aus der Gegenöffentlichkeitszeit. Das aber heute weniger deutlich ist als früher.

Wie gesagt, Boulevard.

Nein. Die gründlichen Infos im Inneren, der Brennpunkt, der Report, die Reportagen, ausführliche Hintergrundberichte, Korrespondentengeschichten, die Kulturseiten – das ist weit weg von dem, was man so abschätzig als Boulevard firmiert.

Können Sie das konkretisieren?

Kultur findet bei Bild fast nur im Unterhaltungsbereich statt. Und hier auch extrem personenfixiert. Bei der taz dagegen mit umfangreichen Hintergrundgeschichten. Hinsichtlich der Berichterstattung aus der Dritten Welt, über das Weltsozialforum und aus der Südhemisphäre ist die taz hervorragend. Sie bietet hier Sachen, die man sonst vergeblich suchte, und stach auch positiv hervor bei Untersuchungen, die wir hier am Münchner Institut für Kommunikationswissenschaft über Berichterstattung über den Süden durchgeführt haben!

Und in Bild?

Vom Weltsozialforum natürlich keine Zeile. Fürs Fernsehen gibt es seit bald zwanzig Jahren die Konvergenzthese, öffentlich-rechtliche und private Anbieter würden sich in ihren Programmen immer stärker annähern. Hat was für sich. Die Aussage, Bild und taz würden ähnlicher, erscheint mir als kuriose Abwandlung dieser Konvergenzthese. Reichlich abwegig, das Ganze.

INTERVIEW: DANIEL SCHULZ