: Kultur auch ohne Budget
Der Gemeindepädagoge Joachim Watzlawik macht seit Jahren in Krefeld vor, wie ein internationales Kulturprogramm auf hohem Niveau, aber ohne eigene Mittel auf die Beine gestellt werden kann
VON HOLGER ELFES
Die Kulturverantwortlichen landauf, landab, üben sich im Jammern. In Zeiten leerer Kassen fehle das Geld zur Aufrechterhaltung der kulturellen Standards. Der Untergang des Abendlandes drohe gar, wenn die Subventionen nicht wieder üppiger flössen. Dass es auch ganz anders geht, zeigt seit zweieinhalb Jahren und zunehmend erfolgreich Joachim Watzlawik, Gemeindepädagoge und Organisator des Kulturpunkts an der Krefelder Friedenskirche.
Viele der Großen und ganz Großen der nationalen und internationalen Bühnen- und Musikszene hat Watzlawik schon für Konzerte, Kabarett- und Theaterauftritte in die Friedenskirche oder in das angrenzende Gemeindezentrum verpflichten können. Die aserbaidschanische Jazzsängerin Aziza Mustafa Zadeh war ebenso Gast wie Manfred Krug, die US-Sängerin Jocelyn B. Smith, Jazzlegende Charlie Mariano, das Jüdische Theater Berlin und der Kabarettist Volker Diefes. Auch in diesem Jahr ging und geht es weiter mit ähnlichen Highlights: Giora Feidmann kam am 9. Januar, Frank Zappas ehemalige Band, die sich jetzt „The Grand Mothers“ nennt, am 3. Februar und am 12. Februar gastiert der französische Jazzmusiker Jean Louis Matinier. Erstaunlich: Für sein ambitioniertes Programm steht Joachim Watzlawik kein Budget zur Verfügung.
„Weder die Kirche, noch die Stadt haben dafür zur Zeit Geld“, bringt es der 48jährige auf den Punkt. Und trotzdem funktioniert das scheinbar Unmögliche. Watzlawik macht dafür vor allem die jüngsten Entwicklungen im Musik-Business verantwortlich. Seitdem mehr und mehr öffentliche Veranstaltungsorte dicht machen müssen, die verbliebenen weniger Geld zur Verfügung haben, rutschen die Gagen in den Keller, Amateurbands gehen komplett leer aus. „Ich beobachte das seit rund drei Jahren“, sagt Watzlawik, der schon in den 80er Jahren als Leiter des Krefelder Jazzklubs Konzerte organisiert hatte und selbst in einer Bluesband spielte. Von diesen jahrelangen Erfahrungen und gewachsenen Kontakten profitiert der gelernte Sozialpädagoge heute. Er findet bei Künstlern, Managern und Agenturen leicht ein offenes Ohr, wenn es um einen Auftritt geht. Mehr noch – immer häufiger treten die Agenten an ihn heran und bieten die bei ihnen unter Vertrag stehenden Künstler an. Und da das Geldverdienen für sie schwieriger geworden ist, kommen viele auch gerne ohne garantierte Gage. Die Friedenskirche gilt dabei als „gute Adresse“. Die Veranstaltungen im Kulturpunkt sind professionell gemanagt, für Werbung und PR ist gesorgt und in der Regel treten die Künstler vor einem vollen Haus mit bis zu 750 zahlenden Gästen auf. So kommen sie durch ihren Anteil an den Eintrittsgeldern auch auf ihre Kosten.
Um das Niveau zu halten, muss sich der Gemeindepädagoge, der auch für die Seniorenarbeit zuständig ist, mächtig ins Zeug legen. Überall gilt es, neue Fäden zu spinnen und Synergieeffekte zu nutzen. So konnte z.B. der norwegische Star-Pianist Jan Henryk Kayser im letzten Herbst gewonnen werden durch einen persönlichen Kontakt zu einer Krefelderin, die Jahrzehnte lang in dem skandinavischen Land gelebt hatte.
„Baggern“ nennt das der Mann, dem ein Szeneblättchen jüngst einen “Traumjob“ bescheinigte. Gar einen „Hoffnungsträger der Kirche“ wollte ein anderes Magazin geortet haben. Ein vergleichbares Projekt gibt es in der Region sonst nur noch an der Düsseldorfer Johanneskirche. Watzlawik selbst will das lieber ein bisschen tiefer hängen. Ihm geht es um die Sache: „Wir haben hier einen Verkündigungsauftrag und versuchen, mit dem Kulturpunkt die Kirche wieder ein bisschen näher zu den Menschen zu bringen.“ Um an diesem neuen Stadtkirchenkonzept mitzuwirken, ist der ehemalige Messdiener und geborene Katholik sogar zum Protestantismus konvertiert. An der Friedenskirche gelingt ihm das auch deshalb so gut, weil alle mitziehen. Das Presbyterium unterstützt den Kulturpunkt und die beiden Pfarrer Klaus Niewerth und Michael Windhövel „haben die gleichen Sachen im Plattenschrank wie ich.“ Und so werden in Zukunft wahrscheinlich ganz ungewöhnliche Töne im Gotteshaus zu hören sein: Gespräche mit der Heavy Metal Band „Blind Guardian“ über ein unplugged-Konzert laufen bereits.