: „Da muss mehr getan werden“
Die Politikerin Edith Müller (Grüne) absolviert ein Praktikum bei einer Jugendeinrichtung in Mülheim. Die Landtags-Vizepräsidentin zeigt sich beeindruckt von der Not der Kinder
KÖLN taz ■ „Wenn ich abends fertig war, hatte ich Tränen in den Augen“, erzählte die Grünen-Politikerin Edith Müller gestern nach Abschluss eines Kurzpraktikums bei der Christlichen Sozialhilfe in Köln-Mülheim. Zwei Tage lang hat sie im sozialen Brennpunkt Kinder betreut, mit ihnen gebastelt und Breakdance geübt, ihnen Essen gekocht und ihren Sorgen zugehört. Die Vizepräsidentin des NRW-Landtages und Haushaltsexpertin der Grünen äußerte sich erschreckt über die problematische Situation vieler Mülheimer Familien.
Nach der erfolgreichen Unterschriftenaktion der Bürger in Nordrhein-Westfalen muss sich der Landtag in Düsseldorf bald mit der künftigen Jugendarbeit beschäftigen. Ein Problem sind die Horte, die 2007 aufgegeben werden sollen. Dann sollen Kinder in der „Offenen Ganztagsschule“ betreut werden. Bisher vertritt die rot-grüne Landesregierung die Meinung, dass das reicht. Edith Müller hält das für falsch. „In sozialen Brennpunkten muss mehr getan werden“, ist sie sich mit dem Vizevorsitzenden der SPD-Landtagsfraktion, Marc-Jan Eumann, einig. Auch er hat vor kurzem ein Praktikum in der Köln-Mülheimer Jugendeinrichtung absolviert.
„Mich ärgert richtig, dass manche hier durchs soziale Netz fallen“, meinte Müller gestern in Mülheim. So sei es schockierend, dass sexuelle Übergriffe in den sozial benachteiligten Familien immer häufiger vorkämen. „Da muss man behutsam vorgehen“, pflichtete ihr Sozialarbeiter Fritz-Rolf Sonnen bei. Solche Hilfestellungen seien im Konzept der Ganztagsschulen überhaupt nicht mehr vorgesehen.
„Wir arbeiten mit Therapeuten zusammen, die die Bewegungsdefizite der Kinder behandeln“, erläuterte Gruppenleiterin Erika Strerath. Von Müller auf besonders magere Kinder angesprochen, berichtete sie über Mangelerscheinungen bei den meisten jungen Klienten ihrer Einrichtung: „Viele haben einfach Hunger. Uns reicht es aber nicht, nur dafür zu sorgen, dass die Kinder satt werden. Es gibt für sie kaum Rückhalt in der Familie. Da ist ein ganzheitlicher Hilfeansatz dringend nötig.“
So werde der Hort zur Sozialstation auch für die Eltern aus dem Viertel. Die Pädagogen beraten beim Ärger mit Behörden und geben Tipps für die Suche nach einem Arbeitsplatz. „Politiker machen sich kaum Vorstellungen davon, was hier wirklich geleistet wird“, resümierte Edith Müller. Als Haushaltspolitikerin will sie diese Erfahrungen nun in konkrete Politik umsetzen. „Es kann doch nicht sein, dass wir beim Landesjugendplan kürzen und bei der Beihilfe für die Steinkohle nicht“, gab sie die Richtung vor. Frank Überall