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Archiv-Artikel

Ein bisschen bleich

Ist er der böse Bube aus den elterlichen Albträumen oder doch ein guter Musiker? Der aus Bremen stammende Rapper Ferris MC steht morgen Abend in Hamburgs Markthalle auf der Bühne

von Eberhard Spohd

„Ach, was muß man oft von bösen Kindern hören oder lesen!“ Zum Beispiel von Sascha Reimann, besser bekannt unter seinem Nom de Guerre Ferris MC. Er soll ja in seinem Leben so viele Drogen genommen haben. Er rappt ja so schlimme Texte, in denen er androht, Menschen mit der Kettensäge zu zerstückeln, Groupies mit Erbrochenem zu überziehen und ansonsten den lieben Gott einen tatterigen alten Mann sein lässt. Kurz und gut: Ferris MC ist, so sagen seine Kritiker, der böse Mann des deutschsprachigen HipHop, der Eminem der hiesigen Szene.

Das mag alles mehr oder weniger stimmen, trifft aber nicht den Charakter des inzwischen 30-Jährigen. „Ferris MC ist doch nur eine Kunstfigur“, sagt er, „die Züge meines Lebens trägt.“ Das kein einfaches war: Aufgewachsen ist Reimann im Bremer Plattenbau-Viertel Tenever, er litt unter seinem alkoholkranken Stiefvater so sehr wie seine Mutter, landete früh im Tageskinderheim für schwer Erziehbare. Dort lernte er alles Wesentliche für seinen weiteren Lebensweg kennen: „Rauchen, saufen, Schlösser knacken.“ Man kann froh sein, dass er mit dieser frühen Biographie kein Klein- oder gar Schwerkrimineller wurde.

Stattdessen entdeckte er die härteren Drogen und die Musik für sich. Beeinflusst von Punk und HipHop gründete er mit seinen Partnern Flowinimmo und DJ Pee die Freak Association Bremen und wandte sich, nachdem er als Automechaniker gescheitert war, hauptberuflich der Musik zu. Nach seiner wilden Zeit – LSD, MDMA, Speed, Marihuana, Kokain, Alkohol, Partys, Touren und angeblich auch Frauen – wohnt Ferris MC schon lange in Hamburg, hat mittlerweile seine dritte Solo-LP veröffentlicht und ist etwas ruhiger geworden.

All das merkt man ihm im persönlichen Gespräch kaum an. Anstatt eines drogenkranken Wracks begegnet man einem fröhlichen Menschen, der entspannt und ziemlich reflektiert über sein Leben redet. Ein bisschen bleich ist er eigentlich immer und seine Zähne sind auch nicht mehr die besten, ein tobender Freak ist Sascha Reimann auf alle Fälle nicht.

Dabei hätte er dazu allen Grund: Das jüngste Album Audiobiographie fiel bei der Kritik ziemlich durch. Und zwar zu Recht: Auf der einen Seite spielt Ferris MC wieder einmal den schwarzen Mann, kann mit dieser Haltung aber nicht gegen seine Berliner Kollegen anstinken, die den Abschaum dieser Welt doch sehr viel besser repräsentieren. Auf der anderen Seite versucht er sich an einer Cover-Version von Rio Reisers „König von Deutschland“, mit der er nachweist, dass er den Stellenwert des Sängers deutlich verkennt. Zu allem Überfluss disst er zwar mit Recht das ganze Geflenne um die Superstars, war sich aber nicht zu schade, ausgerechnet mit Vanessa S. das Stück „Fiesta“ aufzunehmen. Bei allem Respekt – „Ich sehe das als Möglichkeit, auch mal einer anderen Zielgruppe meine Reimskillz zu beweisen und die Trommelfelle aufzureißen“ (Intro) –, eine solche Kombination hinterlässt einen mehr als schalen Nachgeschmack.

Der zwiespältige Eindruck bleibt also: Ferris MC ist mit einer charakteristischen Stimme nicht gerade gesegnet, sondern eher geschlagen, die man aus jeder Produktion sofort heraushört. Er hat aus sich eine einzigartige Figur gemacht, die alle Möglichkeiten der Weiterentwicklung in sich birgt. Aus dem bösen Kind ist ein Musiker geworden, der sich endlich entscheiden und darauf konzentrieren muss, was er will. Das Herumsitzen zwischen allen Stühlen sollte er langsam sein lassen. Es macht nämlich träge.

morgen, 21 Uhr, Markthalle, Hamburg