: Die Hoffnung aus der Pfalz
Hans-Peter Briegel wird nach seinem Sieg mit der albanischen Nationalmannschaft gegen Russland als Messias gefeiert. Heute soll der neue Nationalheld gegen Irland sein zweites Wunder vollbringen
von TOBIAS SCHÄCHTER
Die Hoffnung wird oft als ein zartes Pflänzchen beschrieben, das in guten Zeiten, so raten weise Geister, gehegt und gepflegt werden muss. In schlechten Zeiten wiederum soll man die Hoffnung nicht aufgeben. In jedem Fall soll die Hoffnung gewahrt werden. Über die Hoffnung sagt man – wie tröstlich –, sie sterbe zuletzt. In Albanien ist das seit letzten Samstag alles ganz anders. Die Hoffnung in Albanien ist in Deutschland geboren. Sie ist schwer und groß und 47 Jahre alt. In Albanien hat die Hoffnung nun sogar einen Namen und einen Beruf. Die Hoffnung in Albanien heißt Hans-Peter Briegel und ist Fußballtrainer.
Mit 3:1 gewann die Nationalmannschaft Albaniens am Samstag das Qualifikationsspiel der EM-Gruppe 10 gegen Russland. Es war der erste Sieg einer albanischen Fußballnationalmannschaft nach knapp zwei Jahren. Und es war der erste Sieg des neuen Trainers Hans-Peter Briegel – in seinem ersten Spiel. „Historisch“ nannten die Kommentatoren der albanischen Medien den Erfolg. Und auch drei Tage nach dem prestigeträchtigen Triumph des ehemals kommunistischen Albaniens gegen das Kernland des ehemaligen Sowjetreiches klingt die Stimme des neuen albanischen Nationalhelden heiserer, als sie ohnehin ist: „Die Leute hier haben auf solch ein Ereignis gewartet“, sagt Briegel und muss erst einmal husten. Nur drei Monate, ach was, nur 90 Minuten benötigte der Graugelockte, bis ihm der albanische Ministerpräsident vor Freude in die Arme sprang und Zehntausende im Stadion in Shkoder und auf den Straßen des Balkanlandes Briegels Namen skandierten – fast so, als wäre ein Messias zu ihnen gekommen, um sie zu erlösen. Fast jeder Fünfte in dem 3,5 Millionen Einwohner zählenden Land ist arbeitslos. Albanien ist das ärmste Land Europas. Viele leben vom Tauschhandel – und von der Hand in den Mund. „Aber es ist auch ein schönes Land“, sagt Briegel, dem der ehemalige FCK-Profi Axel Roos assistiert.
Seit Dezember ist Briegel Trainer im Land der Skipetaren, nachdem sich, wie er erzählt, sein Vorgänger, der Italiener Dossena, „ohne Tschüs zu sagen“ und nach einer 1:4 Niederlage gegen Russland aus dem Staub machte. Briegel wohnt weiter im südpfälzischen Germersheim, von wo aus er Spieler in ganz Europa sichtet. Zweimal im Monat reist er nach Albanien, trainiert die Jugend und guckt Ligaspiele auf „Holperpisten“ an. „Ich bin hier angetreten, um den ein oder anderen Größeren zu ärgern.“ Mit dem einen ist ihm das schon gelungen. Heute Abend versucht er mit Irland gegen einen anderen sein Glück. Am Montag war deshalb schon wieder der Ministerpräsident im Mannschaftsquartier und lobte eine Extraprämie aus, sollte erneut gewonnen werden. Der Staat zahlt mit. Briegel grinst, hustet – und ist bemüht, den Ball flach zu halten: „Wir können heute gewinnen, aber auch mit vier Toren Unterschied verlieren.“ Er vertraut dabei ganz auf seine Spieler. „Das sind fast alle Profis, die im Ausland ihr Geld verdienen. Die wissen schon, wie sie mit dem Ergebnis vom Samstag umzugehen haben.“
Die drei Torschützen vom Wochenende – Rraklli, Lala und Tare – sind auch in Deutschland ein Begriff. Igli Tare, der jetzt im italienischen Brescia auf Torejagd geht, schwärmt vom Coach: „Briegel findet genau die richtige Mischung zwischen Kumpel und Trainer.“ Wahrscheinlich liegt genau darin der Erfolg.
Briegel ist ein Mann der Emotion. Kritische Beobachter erkennen in seiner oft undiplomatischen Sprache, mit der er sein Amt als Verwaltungsrat des 1. FC Kaiserslautern zuweilen bekleidet, zu Recht eine gewisse Naivität. Aber wer die „Walz von der Pfalz“ sich am Samstag im Stadion von Shkoder hat freuen sehen, als er wie ein Kind vor Freude Luftsprünge gehopst hat, der weiß: diese Emotionen sind echt. Deshalb lieben sie ihn in Kaiserslautern. Sie lieben ihn in Verona, wo er mit Hellas als Spieler italienischer Meister wurde und wo er bis heute weder Kaffee noch Pasta in den Cafés rund um die Piazza Bra bezahlen muss.
Briegel hat einen Vertrag bis zum Ende der EM-Qualifikation 2004. Er hält es nach wie vor für vermessen, von der Qualifikation zu sprechen. Ob er mit Albanien in die WM-Qualifikation für 2006 geht, hat er noch nicht entschieden. „Wenn ich die nächsten vier Spiele verliere, bin ich vielleicht schon wieder weg vom Fenster“, sagt Briegel.