piwik no script img

Archiv-Artikel

Politik mit der Einkaufstüte

Schluss mit ungezügeltem Konsum: Bundesregierung soll den „nachhaltigen Warenkorb“ in ihre Programme aufnehmen, empfiehlt der Nachhaltigkeitsrat

BERLIN/BONN taz ■ „Das wird kein leichter Gang für die Bundesregierung“, kündigte die Vizevorsitzende des Nachhaltigkeitsrates, Professorin Edda Müller, Montagabend in Berlin an. Sie empfahl der Mannschaft um Bundeskanzler Gerhard Schröder, eine Strategie zu entwickeln, damit mehr Verbraucher zu umwelt- und sozialverträglicheren Kaffeekochern, Möbeln oder T-Shirts greifen. Müller rief die rot-grüne Koalition auf, dafür den vom Rat initiierten nachhaltigen Warenkorb weiterzuentwickeln.

Den nachhaltigen Warenkorb hat der Rat zusammen mit dem Institut für Markt-Umwelt-Gesellschaft e. zV. (imug) und dem Bundesverband der Verbraucherzentralen initiiert. Der Name ist an den Warenkorb des Statistischen Bundesamtes angelehnt, der jährlich als Maß dafür gilt, was und wie viel die Deutschen einkaufen. Dahinter versteckt sich die Idee, für die 750 Produkte und Dienstleistungen aus dem statistischen Warenkorb langfristig umweltfreundliche und sozialverträgliche Alternativen aufzuzeigen.

Entstanden ist vorerst ein Einkaufsführer, der Tipps für Ernährung, Kleider, Verkehr, Wohnen, Reisen und Finanzdienstleistungen umfasst. Jeder kann ihn im Internet als Broschüre herunterladen. Da es noch kein spezielles Gütesiegel für nachhaltige Produkte gibt, orientierten sich die Tipps zunächst einmal an den bereits existierenden. Dazu gehört etwa das Biosiegel für ökologische Nahrungsmittel oder der Blaue Engel, aber auch Zeitschriften wie test der Stiftung Warentest.

Mehr als 70 Familien haben den Einkaufsführer bereits vier Wochen lang getestet. Ihr Fazit: Der nachhaltige Warenkorb macht das bewusste Einkaufen tatsächlich leichter. So änderten mehr als die Hälfte der Familien ihr Kaufverhalten, überdachten noch einmal, wie und was sie konsumieren. Erstaunt waren die Tester vor allem, dass der Einkaufsführer viele Supermarktprodukte als „nachhaltig“ kennzeichnete.

Dennoch fanden über 50 Prozent die empfohlenen Produkte zu teuer. Außerdem wünschten sie sich noch detaillierte Informationen – nach dem Motto „Kaufe Kaffee der Marke X im Laden Y“. Denn wer konsequent einkaufen wolle, brauche trotz der Tipps noch immer mehr Zeit, stellten mehr als 40 Prozent der Befragten fest. Vor allem die Verkäufer in den Geschäften seien keine große Hilfe. Auch da müsse die Bundesregierung nun ansetzen, sagte Müller. „Der nachhaltige Warenkorb muss in Schule und Ausbildung integriert werden.“

Wie wichtig der bewusste Griff ins Ladenregal ist, verdeutlichen Experten mit folgender Rechnung: „Würde sich die im Jahr 2050 auf 10 Milliarden Menschen angewachsene Weltbevölkerung dem Lebensstil der USA anpassen, müssten allein 9 Milliarden Tonnen Getreide für die Tiermast produziert werden, was – gemessen am heutigen Ertrag – der Ernte von vier Planeten entspricht.“ KATHRIN BURGER

www.nachhaltigkeitsrat.de/projekte/warenkorb/index.html