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Archiv-Artikel

Gewerkschaften multisono

Vorm Kanzler-Treffen über die Sozialreformen sind die DGB-Mitglieder nicht ganz einig: IG-Metall-Zwickel spricht von Wahlbetrug, IG-BCE-Schmoldt verlangt Opferbereitschaft

BERLIN afp ■ Absenkung der Arbeitslosenhilfe, Streichung des Krankengeldes als Kassenleistung, Einschnitte beim Kündigungsschutz – Gründe gibt es genug, warum viele Gewerkschafter auf Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) sauer sind. Von „Wahlbetrug“ spricht IG-Metall-Chef Klaus Zwickel, der gemeinsam mit seinem Ver.di-Kollegen Frank Bsirske derzeit beim Protest gegen Rot-Grün in vorderster Reihe steht.

Doch gab es vor dem Spitzentreffen von SPD und DGB-Gewerkschaften gestern Abend auch Ermahnungen: Der Vorsitzende der Chemiegewerkschaft IG BCE, Hubertus Schmoldt, warnte dringend davor, „Front gegen die Bundesregierung zu machen“. Schmoldt – alter Kanzler-Freund – will nicht, dass die Gewerkschaften als Blockierer am Pranger stehen. „Wir wissen alle, dass Reformen dringend notwendig sind“, versicherte er daher, auch wenn dies den Arbeitnehmern Opfer abverlange: „Jeder muss zur Veränderung bereit sein, auch unsere Leute.“

Zwickel sagte dagegen: „Die vom Bundeskanzler vorgeschlagenen Kürzungen im sozialen Bereich sind einseitig und ungerecht. Sie belasten ausschließlich Arbeitnehmer, Arbeitslose und Kranke.“ Der IG-Metall-Chef kündigte erneut bundesweite Proteste an. Seine Gewerkschaft verbreitet Schröder-Zitate aus dem Wahlkampf, etwa zur Höhe der Arbeitslosenhilfe, um die These vom rot-grünen Wahlbetrug zu belegen. Ähnlich scharfe Töne schlug der Vorsitzende der Gewerkschaft Bauen Agrar Umwelt, Klaus Wiesehügel, an. Zwar sei er bereit, mit dem Kanzler „über Details zu reden“, aber „die Linie ist falsch“. Schröder hatte zu Wochenbeginn gesagt, „über Details wird man reden, über die Linie nicht“.

Abgesehen von der Rhetorik ist es vor allem der Kündigungsschutz, in dem sich die Gewerkschaften uneins sind: Schmoldt will flexiblere Modelle in einzelnen Arbeitsamtsbezirken testen, während Zwickel und Bsirske klar Nein sagen.