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Archiv-Artikel

Ein Autobauer, drei Gipfel

Bundesregierung und Länderministerpräsidenten überbieten sich mit Hilfsangeboten für kriselnden Autobauer Opel

AUS BOCHUM ANDREAS WYPUTTA

Am schnellsten war Roland Koch. Opel stecke in „existenziellen Schwierigkeiten“, verkündete Hessens geschäftsführender CDU-Ministerpräsident schon am Freitag. „Ich mache mir Sorgen über die Autoindustrie.“ Analog zur Risikoabschirmung angeschlagener Banken schlug er einen „Autoschirm“ vor – und verlangte, der Landtag müsse noch vor Auflösung an diesem Mittwoch dem Haushalt 2009 vorgreifen. Denn Wahlkämpfer Koch will, dass Hessen mit bis zu 400 Millionen Euro für Opel bürgt. Sein Bürgschaftsrahmen aber liegt aktuell bei nur 60 Millionen Euro.

Plötzlich überbieten sich Spitzenpolitiker von Union und SPD mit Hilfsangeboten. „Opel darf nicht untergehen“, tönte Nordrhein-Westfalens CDU-Regierungschef Jürgen Rüttgers. NRW werde sich an Bürgschaften beteiligen, um 5.000 Arbeitsplätze im Bochumer Opel-Werk zu erhalten. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck bestätigte, man rede über rund 1 Milliarde Euro. Beim Washingtoner Weltwirtschaftsgipfel verkündete SPD-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, er werde am Dienstag zusammen mit Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) und Ländervertretern über die Bürgschaften beraten. „Wir werden um jeden Job kämpfen“, versprach auch SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier – und lud zum Ärger der Union Betriebsräte der Autoindustrie zu einem Treffen am Montagabend ein. CDU-Chefin Angela Merkel konterte mit einer Einladung an den Geschäftsführer von Opel Deutschland, Hans Demant, den Europachef der Konzernmutter General Motors (GM), Carl-Peter Forster, und den Gesamtbetriebsratschef Klaus Franz ins Kanzleramt.

Die Opel-Krise wird zum Wahlkampfschlager – dabei hatte CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer viel bescheidenere Wünsche des Autobauers nach zinsgünstigen Krediten und einer Verschrottungsprämie für Altautos noch am Dienstag harsch gekontert: „Die Opelianer haben einen Knall.“

Mittlerweile ahnt aber auch die Politik, dass zu viel Krisengerede schädlich ist. Der Finanzminister bedauert, dass die „Gespräche bereits in die Öffentlichkeit gelangt sind“ – Steinbrück hat Angst vor Trittbrettfahrern aus allen Wirtschaftszweigen, die bald nach staatlicher Unterstützung rufen dürften.

Der Autobauer selbst fürchtet nichts mehr als apokalyptische Untergangsszenarien. Schließlich kauft niemand einen neuen Opel, wenn unklar ist, ob es in einigen Jahren noch Werkstätten gibt, die Ersatzteile haben. „Wir wollen die Wettbewerbsfähigkeit von Opel auch in dieser global schwierigen Situation sichern“, sagt Opel-Chef Demant nur noch vorsichtig. Dabei hatte er am Freitag mit Bettelanrufen erst für die hektische Reaktion der Politik gesorgt.

Deutlicher wird Arbeitnehmervertreter Klaus Franz: „Opel hat kein Liquiditätsproblem“, sagte der Betriebsratschef. Bei den geforderten Bürgschaften handele es sich um „eine reine Vorsorgemaßnahme“. Autoexperten wie der an der Universität Duisburg-Essen lehrende Ferdinand Dudenhöffer seien „Krisenpopulisten“, schimpft Franz – Dudenhöffer warnt bereits vor dem völligen Zusammenbruch des Autobauers.

Der würde nicht nur die 25.700 Arbeitsplätze an den Opel-Standorten Rüsselsheim, Bochum, Kaiserslautern und Eisenach kosten. Bei Zulieferern wären weitere 75.000 Jobs in Gefahr. Doch auch die Betriebsräte warnen vor der Pleite der US-amerikanischen Konzernmutter GM. Der ehemals größte Autobauer der Welt kämpft wegen veralteter Produktionsstrategien und einer verfehlten Modellpolitik ums Überleben – und schuldet Opel Milliarden für die Entwicklung neuer Fahrzeuge: Das Elektroauto Volt etwa wurde in Rüsselsheim entwickelt, soll aber zuerst in den Staaten vermarktet werden. „Wir müssen davon ausgehen, dass die Milliardenforderungen von Opel an General Motors bei einer Verschärfung der Situation in den USA von GM nicht mehr bedient werden können“, schreiben die Arbeitnehmervertreter aller vier Standorte in einer gemeinsamen Erklärung.

Mittel aus den deutschen Bürgschaften dürften keinesfalls in die USA transferiert werden – stattdessen fordern die Gewerkschafter Arbeitsplatzgarantien.

Selbst Spekulationen, bei Opel werde über eine Trennung von der amerikanischen Konzernmutter nachgedacht, wollen sie nicht dementieren. „Das Problem“, sagt der Bochumer Opel-Betriebsratsvorsitzende Rainer Einenkel, „heißt GM“.