: Nicht abgelutscht
Jubiläumsausstellung „Harakiri Bonbon“ des Künstlerhauses Weidenallee meidet jede Depression
„Nimm nichts von Fremden“, weiß der Volksmund. Wer sich dennoch ein Süßli auf die Zunge legt, stellt fest, dass es seinen verführerischen Geschmack nicht verloren hat. Unnachgiebig und positiv wie ein Kind, das trotzdem das zugesteckte Naschwerk nimmt, erscheint daher Harakiri Bonbon, die Werkrundschau des Künstlerhauses Weidenallee, die in beiden Räumen des Kunsthaus präsentiert wird.
25 Jahre liegt die Gründung und Eröffnung des Künstlerhauses Weidenallee zurück. Das Jubiläum fällt in die untröstliche Zeit, da das Künstlerhaus zum Ende des Jahres aus seinen Atelier- und Wohnräumen rausmuss. Der Blick geht dennoch nach vorn – von Harakiri keine Spur. Viele etablierte Namen sowie die derzeitigen KünstlerInnen des Hauses sind in der Jubiläumsschau vertreten.
Das kuratorische Prinzip – jeder Künstler des Hauses lädt GastkünstlerInnen ein – führt den Besucher allerdings in ein Stil- und Geschmackspuzzle. Einige ältere Arbeiten der Ex-Künstlerhausbewohner sind zu sehen: K.P. Bremer korrigierte 1970 anhand der Vermögensverteilung die bundesdeutschen Nationalfarben und zeichnete zackige Statistiken, die die Wahrscheinlichkeit eines dritten Weltkrieges ausweisen.
In zwei Reihen umturteln einander Schwarzweiß-Fotographien von Alexander Rischer und Jochen Lempert: ein ausgiebig studiertes Taubenpärchen, das sich zur Plage auswächst, kontrastiert mit einer Historiographie bäuerlicher Taubenschläge. Im dunklen Raum von Ole H. Hagen und Axel Ekwall sind ein Archipel von Butterstullen und mehrere kosmische Spiralnebel eingerichtet – beide fluoreszieren gemütlich in der Dunkelheit.
Eine Flug- und Klangstudie hat Pierre Malphettes mit seiner Videoarbeit Le festin geschaffen: Er ließ einen mit Porzellantellern vollgerüsteten Geschirrschrank vom Dach eines Hauses stürzen. Slow-motion, schmatzende, stampfende Geräusche und scharfe Schnitte inklusive. Und Sabine Mohr hat vorsichtig weiße Fliesen auf dem Boden ausgelegt. Die utopische, idealtypische Küstenlandschaft wird demnächst die Sternschanzenbrücken-Unterführung schmücken. In der hinteren Ausstellungsecke versinnbildlicht ein Heer Buddhas die aktuelle Stimmungslage des raumsuchenden Künstlerhauses: Wie Spielfiguren sitzen die Heiligenstatuen um ein Spielbrett und warten auf den nächsten Zug.
Christian T. Schön
Bis 4. Mai, Di-So 11-18 Uhr, Kunsthaus (!), Klosterwall 15
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