Terrorismus wird umdefiniert

SPD und Grüne wollen den Paragraphen 129 a des Strafgesetzbuches reformieren. Strafmaß für Unterstützer wird erhöht, die Definition der „terroristischen Vereinigung“ etwas verengt. Anlass ist ein EU-Beschluss zur Terrorismusbekämpfung

von CHRISTIAN RATH

Die rot-grüne Koalition will höhere Strafen für Terrorismushelfer ermöglichen, aber den Begriff der „terroristischen Vereinigung“ eingrenzen. Darauf haben sich nach langen Beratungen die Rechtspolitiker von SPD und Grünen geeinigt. Die pauschale Überwachung der linksradikalen Szene wird dadurch erschwert.

Aus Anlass einer EU-Vorgabe soll künftig die „Unterstützung“ einer terroristischen Vereinigung mit einer Höchststrafe von zehn Jahren bedroht werden. Laut Paragraph 129a Strafgesetzbuch lag die Obergrenze bisher bei fünf Jahren, die EU wollte sie auf acht Jahre anheben. Für Mitglieder und Anführer bleiben die bisherigen Strafrahmen (bis zu zehn oder fünfzehn Jahren Haft) erhalten. Außerdem wird die Liste der Delikte, die aus einer Clique eine „terroristische Vereinigung“ macht, erweitert. Bisher musste der Gruppenzweck in der Begehung von Straftaten wie Mord, Geiselnahme oder dem Angriff auf Infrastruktureinrichtungen liegen. Künftig kommen unter anderem schwere Körperverletzung, Verwendung von Gift oder Kriegswaffenschiebereien hinzu.

Als Ausgleich für diese Verschärfungen haben die Grünen mehrere einschränkende Kriterien durchgesetzt. So muss bei allen Taten außer Mord, Völkermord und Geiselnahme eine terroristische Motivation gegeben sein. Das heißt, die Tat muss darauf abzielen, die Bevölkerung „auf schwerwiegende Weise einzuschüchtern“, eine Behörde rechtswidrig zu einer Handlung zu zwingen oder die Grundstruktur des Staates „ernsthaft zu destabilisieren oder zu zerstören“. Dies dürfte zumindest bei politisch motivierten Gruppen in der Regel der Fall sein. Von größerer Bedeutung ist daher das objektive Kriterium: Die Tat muss auch geeignet sein, einen Staat „ernsthaft zu schädigen“. Damit dürfte ein Großteil der autonomen Gruppen, die etwa Strommasten absägten und erst durch die Strafrechtsverschärfungen der 80er-Jahre zu Terroristen erklärt wurden, dieses Stigma wieder verlieren. Auch das Magdeburger „Kommando globaler Widerstand“, gegen das Generalbundesanwalt Kay Nehm in dieser Woche zahlreiche Durchsuchungen durchführte, dürfte künftig nicht mehr als „terroristische Vereinigung“ gelten. Die Gruppe hatte mehrere Autos angezündet.

Folge der Neuregelung wäre natürlich nicht die Straffreiheit dieser Taten. Brandstiftungen und Sachbeschädigungen bleiben auch künftig strafbar. Selbst die bloße Gruppenzugehörigkeit wird nicht straffrei, weil sie (wie früher) wieder als Mitgliedschaft in einer „kriminellen Vereinigung“ nach Paragraph 129 Strafgesetzbuch erfasst wird.

Entscheidend sind die Erleichterungen bei Strafprozessen. Diverse Ermittlungsmaßnahmen sind speziell gegen „terroristische“ Vereinigungen möglich, etwa die Inhaftierung ohne Flucht- und Verdunkelungsgefahr oder die erleichterte Durchsuchung von Wohnräumen. In der Praxis führte deshalb Paragraph 129a zwar selten zu Verurteilungen, aber sehr häufig zur Durchleuchtung radikal-oppositioneller Szenen, vor allem im linken und neuerdings auch im islamistischen Bereich. Die einschränkenden Kriterien haben sich die Grünen nicht selbst ausgedacht. „Das haben wir alles dem EU-Recht entnommen“, erklärt Jerzy Montag, der rechtspolitische Sprecher der Grünen. Das Justizministerium und Teile der SPD wollten dagegen nur die Verschärfungen ins deutsche Recht übertragen. Da es sich bei den EU-Vorgaben um Mindestvorschriften handelt, wäre auch dies möglich gewesen.

Verabschiedet wurde der EU-Rahmenbeschluss zur Terrorismusbekämpfung im Juni des vorigen Jahres. Er sollte nach den Anschlägen vom 11. September europäische Entschlossenheit zeigen und vor allem Auslieferungsverfahren durch die Schaffung ähnlicher Rechtslagen erleichtern. Am kommenden Dienstag sollen die bisher nicht veröffentlichten Pläne voraussichtlich in den Fraktionen beraten werden.