piwik no script img

Archiv-Artikel

Die mühselige Parisfahrt des Handelsreisenden Schäuble

In Frankreich gibt der Vize der Unionsfraktion konservativen Politikern außenpolitische Empfehlungen. Die schweigen, grinsen – und widersprechen

„Sie erinnern an Kleopatra, die mit Caesar ins Bett geht“, sagt ein Franzose zu Schäuble

PARIS taz ■ Das Essen ist köstlich. Das Wetter frühlingshaft. Und der Rahmen gediegen. Trotzdem will keine freundschaftliche Stimmung aufkommen, als sich Wolfgang Schäuble und seine politischen Freunde in Paris treffen, um über den Irakkrieg, die atlantischen Beziehungen und die Zukunft der EU zu sprechen. „Gegen die USA“, so predigt der CDU-Politiker am Dienstag, „können wir Europa nicht aufbauen.“ Der frühere Premierminister Edouard Balladur, der ihm bei Tisch gegenübersitzt, antwortet mit einer Frage: „Wie soll die EU es denn anstellen, wenn die USA jeden europäischen Ansatz einer Organisation als böswillige Suche nach einem Gegengewicht interpretieren?“

Der Politiker aus Berlin spricht wie ein reisender Handelsvertreter. Einer, der im Namen Washingtons unterwegs ist. Die Konrad-Adenauer-Stiftung hat ihn zu einem Essen mit mehreren dutzend Abgeordneten der UMP, der neu gegründeten großen Partei von Staatspräsident Jacques Chirac, eingeladen. Vor ihnen verlangt Schäuble „Solidarität mit den USA“. Beschwört die „atlantische Partnerschaft“. Erklärt, dass Europa und die USA „gemeinsam bedroht“ seien – Begründung: „Wir sind im weltweiten Maßstab die Wohlhabenden.“ Und warnt vor dem „Missverständnis“, die „USA als Hauptgefahr für unsere Sicherheit und für den Frieden in der Welt“ zu betrachten.

En passant kritisiert er Chiracs Irak-Politik. Bis zur Resolution 1441, sogar bis Januar sei er damit einverstanden gewesen, sagt der Deutsche. Danach sei „die Balance verloren gegangen“. Es sei „allzu voreilig“ gewesen, die letzte britische Resolution abzulehnen.

Die französischen Freunde hören schweigend zu. Hie und da grinst jemand, als der Deutsche Empfehlungen für den Umgang mit den USA ausspricht. Er rät zu „Selbstbewusstsein“ und „partnerschaftlicher Kritik“, das könnten die USA gut vertragen. Mit amerikanischer Toleranz machen die Franzosen gerade Erfahrungen. Täglich wird über Boykottaufrufe gegen französische Produkte in den USA berichtet.

Als Schäuble fertig ist, greift der rechte Abgeordnete Jacques Myard in die Mythologienkiste. „Sie erinnern mich an Kleopatra“, sagt er dem Deutschen: „die geht mit Caesar ins Bett, um ihm etwas zuzuflüstern. Genau wie es die Briten mit den USA tun. Bekanntlich ist das für Kleopatra schlecht ausgegangen.“ Ein anderer rechter Abgeordneter, Jean-Yves Hugon, erinnert den Deutschen daran, dass die große Mehrheit hinter Chiracs Politik stehe. Und zitiert eine Umfrage, wonach nur 53 Prozent der französischen Bevölkerung einen US-Sieg wünschen. „Ist das in Deutschland grundsätzlich anders?“, fragt er maliziös.

Schäuble antwortet mit Anekdoten. Mit Erfahrungen aus der deutschen Nachkriegsgeschichte. Und immer wieder mit dem Hinweis, dass die USA nun einmal die einzige verbliebene Führungsmacht seien. Dass Europa „keine Freude“ an einem „geschwächten Amerika“ haben werde. Und dass Russland auf gar keinen Fall auf dieselbe Ebene wie die USA gestellt werden dürfe. Die vielstimmige Kakophonie aus dem Innern der Union erklärt Schäuble in Paris damit, dass „differenzierte Positionen“ in der gegenwärtigen aufgewühlten Stimmung „schwer zu vermitteln“ seien. Versichert aber, seine Partei sei einig.

Beim Dessert, im kleineren Kreis, erinnert ein französischer Abgeordneter daran, dass US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld preußischen Ursprungs sei. Ein anderer sagt, der Besucher aus Deutschland liege „völlig daneben“. Mit der sozialdemokratisch-grünen Bundesregierung ist die Verständigung für die französischen Rechten gegenwärtig leichter.

DOROTHEA HAHN