: Harte Zeiten für Kaukasier in Moskau
Die Verantwortlichen für den Metroanschlag sind nicht bekannt. Aber Bürgermeister Luschkow droht Immigranten
MOSKAU taz ■ Nach offiziellen Angaben ist die Zahl der Opfer zwei Tage nach dem Anschlag auf die Moskauer Metro nicht mehr angestiegen. Demnach starben 39 Menschen und wurden 139 zum Teil schwer verletzt. 122 Verletzte befanden sich gestern noch in stationärer Behandlung. Der Kommersant berichtete unterdessen, dass Mitarbeiter der Rettungsmannschaften und Ärzte befürchten, dass weitaus mehr Passagiere dem Anschlag zum Opfer gefallen sein könnten. Diese Quelle geht von insgesamt hundert Toten aus, da der Waggon mit dem Sprengsatz nach Aussagen von Überlebenden restlos überfüllt war.
Endgültige Ergebnisse wollen die Ermittlungsbehörden voraussichtlich Ende nächster Woche vorlegen. Sie fahnden nach wie vor nach einem Mann kaukasischer Herkunft im Alter von 35 bis 45 Jahren. Es wird vermutet, dass auch zwei Frauen an dem Anschlag beteiligt gewesen sind. Die Polizei hat am Wochenende mehrere Verdächtige festgenommen, die mit der Tat aber in keinem Zusammenhang standen.
Für Bürger aus den Kaukasusrepubliken und besonders Tschetschenien brechen in der Hauptstadt nun wieder harte Zeiten an. Bürgermeister Juri Luschkow kündigte an, Maßnahmen gegen „illegale Immigranten, vorsichtig formuliert, erheblich zu verschärfen“. Das richtet sich vor allem gegen russische Bürger aus dem Kaukasus, denen die Stadt Moskau durch einen offenen Verfassungsbruch seit je das Recht auf freie Wahl des Wohnortes vorenthält. Auch Kurzzeitbesucher müssen sich registrieren lassen. Verschärftes Vorgehen gegen „Schwarze“, so die abschätzige Bezeichnung für russische Staatsbürger aus dem Kaukasus, gehört zum Standardrepertoire der Behörden nach Terroranschlägen, was sich bisher indes als wenig effektiv erwiesen hat. Vor allem Miliz und Meldestellen, die die Überprüfungen durchführen, profitieren von diesen Maßnahmen. Sie kassieren einfach mehr Bestechungsgelder.
Auch dem Kreml ist nicht verborgen geblieben, dass besonders Korruptionsanfälligkeit der Ordnungshüter Verbrechern in die Hände spielt. Von drei schweren Terroranschlägen in Moskau seit letztem Sommer ist bis heute keiner aufgeklärt. „Die ewigen Beteuerungen der Verantwortlichen, sie würden den Banditen das Leben zur Hölle machen, sind nichts als leere Worte“, so der Russki Kurjer. Die gleichgeschalteten staatlichen TV-Sender beschwören unterdessen die erstaunliche Gelassenheit der Moskauer Bevölkerung, die durch nichts aus der Ruhe zu bringen sei und sich offensichtlich an den Terror gewöhnt hätte. Für heute ist Staatstrauer verordnet. KLAUS-HELGE DONATH