Angolaner leben zwischen Hunger und Hoffnung

Ein Jahr nach dem Friedensabkommen ist das Land von einem sozialen Frieden weit entfernt. Hilfsorganisationen ziehen ab, Geld fehlt

JOHANNESBURG taz ■ Ein Jahr nach Unterzeichnung des Friedensvertrages hat sich die Lage in Angola zwar stabilisiert, doch die Gesellschaft ist weit von sozialem Frieden entfernt. Der Umstrukturierungsprozess in dem Land, das 27 Jahre durch einen Krieg zwischen Unita-Rebellen und der Regierungsarmee MPLA zerrüttet worden ist, geht nur langsam voran. Die Wiedereingliederung der ehemaligen Unita-Kämpfer bleibt hinter den von der Regierung geäußerten Absichten zurück.

Die meisten der 80.000 Soldaten und etwa 360.000 Familienangehörigen leben noch in 30 Entmilitarisierungslagern und besitzen keine Identitätskarte, die ihnen den Weg als Bürger in die Gesellschaft öffnet. Hinzu kommt, dass vier Millionen Menschen vertrieben wurden. 1,8 Millionen Angolaner haben sich wieder in ihren Dörfern angesiedelt, doch Wasser- und Gesundheitsversorgung sowie Ausbildungsmöglichkeiten und Arbeit sind kaum vorhanden. Mehr als 1,5 Millionen Menschen erhalten Nahrungshilfe durch das Welternährungsprogramm der UNO.

Abgelegene Gebiete sind noch schwer erreichbar. Mit Beginn der Regenzeit werden zudem die Millionen von Landminen zu einer noch größeren Gefahr. Besonders in ländlichen Gegenden leidet die Bevölkerung an Unterernährung. „Menschen sterben nicht an Hunger, aber an Krankheiten“, sagt Douglas Steinberg, Direktor der Hilfsorganisation Care International in der Hauptstadt Luanda. „In dieser Übergangsperiode der Rücksiedlung liefern wir mit anderen Organisationen Saatgut und landwirtschaftliche Geräte.“ Sollte die Ernte misslingen, verschärfe sich die Notlage wieder. Ein weiteres Problem ist, dass sich Hilfsorganisationen im Zuge der politischen Stabilisierung zurückgezogen haben. Darauf verweist João Gomes Porto, Mitarbeiter im Institut für Sicherheitsstudien in Pretoria. Gleichzeitig fordern Regierung und UNO mehr ausländische Finanzen, wie Care-Direktor Steinberg erklärt. „Aber Geberländer warten, dass die Regierung mehr Verantwortung übernimmt.“

Angolas Regierung hat jahrelang den Öl- und Diamantenreichtum des Landes zur Finanzierung des Kriegs ausgebeutet. Der Rückfluss aus Geschäften ist großteils in den Taschen der politischen Elite versickert. Gefordert werden 380 Millionen Dollar Hilfe für dieses Jahr, nur 16 Prozent sind bisher geflossen. Hinzu kommt, dass vorhandene Mittel nun für Hilfe für den Irak umgeleitet werden. Hilfsorganisationen wie Care müssen laut Steinberg künftig ihre Arbeit umstrukturieren und die einheimischen Organisationen stärker unterstützen. Die Gemeindeverwaltungen seien offen für Partnerschaften, denn es fehle an Erfahrung und Kapazitäten. Und in den Gemeinden sei das Konfliktpotenzial am größten.

Ehemalige Unita-Soldaten werden häufig in die gleichen Dörfer wie die Vertriebenen zurückkehren. Durch das Eingliederungsprogramm der Regierung erhalten sie jedoch mehr Hilfe. „Das kann zu Spannungen in einer stark politisch polarisierten Gesellschaft führen“, sagt João Gomes Porto. „Es gibt auch berechtigte Zweifel, ob alle Waffen abgeliefert wurden – eine weitere Gefahr für Instabilität.“ Die Weltbank habe 33 Millionen Dollar für Reintegration zugesagt, meint Porto, „aber es wird ein bis zwei Generationen dauern, bis eine neue Nation gebildet worden ist.“

Die Herausforderungen für eine bessere Zukunft Angolas sind enorm, besonders für die junge Bevölkerung – laut Unicef sind 60 Prozent unter 18 Jahre. Noch bleibt die Umsetzung der Demokratie-Versprechen der Politiker aus. Die Regierung hat Wahlen für 2004 angesetzt, aber der Termin wird ständig verschoben. Präsident Eduard hat seinen Rücktritt angekündigt, doch ein Nachfolger ist nicht in Sicht. Die Rebellenbewegung versucht, sich in eine politische Oppositionspartei umzuwandeln. Wirtschaftlich könnte Angola aufleben, wenn mehr Transparenz in der Politik herrschen würde. Noch leben die Angolaner zwischen Hunger und Hoffen. MARTINA SCHWIKOWSKI