: Schröder will Entsendegesetz
Nach Union und FDP diskutiert jetzt auch Rot-Grün über neue Regeln für den Einsatz deutscher Soldaten. Kanzler: Die Bundeswehr bleibt Parlamentsheer
von CHRISTIAN RATH
Der Kanzler will es auch – nur nicht jetzt. Ein Entsendegesetz soll näher regeln, welche Befugnisse der Bundestag bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr hat. Union und FDP fordern derzeit mit Nachdruck ein derartiges Gesetz. Gerhard Schröder verteidigte das Vorhaben gestern vor dem Bundestag gegen Kritik: „Meine Regierung hat nicht die Absicht, aus einem Parlamentsheer eine Regierungsarmee werden zu lassen.“ Ein Entsendegesetz solle aber erst nach dem Krieg diskutiert werden.
Bisher beruhen die Befugnisse des Bundestags nur auf einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Karlsruhe hatte 1994 entschieden, dass Auslandseinsätze der Bundeswehr zulässig sind, aber der vorherigen Zustimmung des Bundestages bedürfen. Eine nähere Regelung per Gesetz wurde von den Richtern damals zwar vorgeschlagen, aber im Bundestag nie umgesetzt.
Im Wahlprogramm der Grünen hieß es eindeutig: „Ein Entsendegesetz lehnen wir ab.“ Inzwischen will man „konstruktiv mitdiskutieren“, wie Winfried Nachtwei, der Verteidigungsexperte der Fraktion, gestern erklärte. Die harsche Ablehnung habe vor allem einem Vorstoß von Wolfgang Schäuble gegolten.
In einem gemeinsamen Papier mit Fraktionskollegen erklärte der CDU-Politiker vor zwei Jahren, das bisherige Verfahren der Parlamentszustimmung habe sich als „problematisch“ erwiesen. Die Handlungsmöglichkeiten der Regierung würden „unvertretbar“ eingeschränkt. Künftig solle der Bundestag nur noch informiert werden. Auch heute hält Schäuble diese Position aufrecht.
Allerdings gibt es in der Unionsfraktion auch moderatere Stimmen. So hält Justiziar Ronald Pofalla, der den Fraktionsentwurf für ein Entsendegesetz ausarbeiten soll, an der Vorstellung vom „Parlamentsheer“ fest. Er will jedoch den Bundestag von „überflüssigen“ Abstimmungen entlasten. Deshalb sollen Mandate für Militäreinsätze nicht mehr befristet werden, die regelmäßige Erneuerung der Mandate im Bundestag würde entfallen.
Dieser Position hat sich am Wochenende auch Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) in einem Interview angeschlossen. Zweiter Änderungswunsch von Struck: Kleine Fact-Finding-Missionen aus zwei bis drei Offizieren sollen künftig auch ohne Bundestagsmandat möglich sein. Gegen solche Flexibilität im Bagatellbereich haben auch die Grünen nichts einzuwenden.
Die einzige Partei, die bisher parlamentarisch aktiv geworden ist, ist die FDP. Klären wollen die Liberalen vor allem, ab wann eigentlich ein zustimmungspflichtiger Einsatz der Bundeswehr vorliegt. Hierüber hatte es beim Einsatz von Bundeswehrsoldaten in Awacs-Flugzeugen über der Türkei massiven Streit zwischen Regierung und Opposition gegeben. Auch das von der FDP angerufene Verfassungsgericht hat eine Eilentscheidung abgelehnt. Vor einer Klage in der Hauptsache setzt die Partei daher zunächst auf eine parlamentarische Anhörung. Nur wenn die anderen Fraktionen mauern sollten, will die FDP eine letztgültige Klärung beim Bundesverfassungsgericht anstreben.
Das gestrige Signal des Kanzlers galt darum sicher auch der FDP: Man strebe bei einem Entsendegesetz einen „parteiübergreifenden Konsens“ an, erklärte er. Die Diskussion ist eröffnet.
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