: Tommy Franks ante portas
Die amerikanischen Truppen stehen kurz vor Bagdad. Die irakischen Divisionen, die sich der US Army entgegenstellen wollten, sind nicht aufgetaucht
von BERND PICKERT
Die militärische Nachricht des Tages mochte US-Brigadegeneral Vincent Brooks beim täglichen Briefing im US-Hauptquartier in Doha gar nicht bestätigen: dass die US-Truppen bereits bis zum Flughafen der irakischen Hauptstadt 20 Kilometer außerhalb Bagdads vorgerückt seien, wie es verschiedene Medien unter Berufung auf Angaben von US-Soldaten immer wieder berichteten, wollte Brooks nicht kommentieren. Allerdings seien die Truppen tatsächlich „in unmittelbarer Nähe“ der Hauptstadt. Der US-Nachrichtensender CNN zeigte verwackelte Livebilder von schnell fahrenden Panzern – nach Angaben des mitreisenden Kriegsreporters Walter Rodgers angeblich auf dem Weg nach Bagdad, ohne auf nennenswerten Widerstand zu stoßen.
Unklar blieb den ganzen Tag, warum der recht schnelle Vorstoß jetzt möglich war. Iraks Informationsminister Mohammed Sajjid al-Sahhaf dementierte US-amerikanische Angaben, nach denen die Bagdad-Division der Republikanischen Garden, der irakischen Elite-Einheiten, durch tagelange Angriffe kampfunfähig geworden sei. Sie hätten vielmehr nicht einmal irgendwelche Verluste gehabt. Teile der Bagdad-Division sollen sich nach US-Angaben bei der Stadt Kut ergeben haben. Mindestens ein Bus mit kapitulationswilligen Gardisten sei zu den US-Truppen herübergefahren, berichtete Brigadegeneral Brooks im US-Hauptquartier.
Wenn die Berichte stimmen, dann haben die US-Einheiten jetzt jenen „Rote Zone“ genannten Bereich erreicht, in dem die USA, so haben es Politiker und Offiziere immer wieder gesagt, den Einsatz von chemischen Waffen durch die Iraker für möglich halten. Passend dazu wollte gestern ein CNN-Reporter beim Vorstoß auf Bagdad tote Iraker mit C-Waffen-Schutzanzügen gesehen haben.
Dass die Schlacht um Bagdad bevorsteht, scheint allgemeiner Konsens zu sein – nur wie sie aussieht, das blieb auch gestern unklar. Denn auch die USA gingen bislang davon aus, dass mindestens vier Divisionen der Republikanischen Garden zur Verteidigung der Stadt bereitstünden – wo die aber sind, konnte gestern niemand sagen. Zwar gab es den ganzen Tag über Berichte, große Verbände der Republikanischen Garden seien vom Norden Bagdads aus unterwegs in den Süden, um sich dort den US-Truppen entgegenzustellen – doch das mochte kaum jemand glauben. Immer wieder hatten die irakischen Militärs versichert, diesmal nicht den Fehler von 1991 zu wiederholen, sich den US-Truppen auf freiem Feld entgegenzustellen, wo sie ein leichtes Ziel für US-Luftangriffe bieten. Wahrscheinlicher ist, dass sie sich in Bagdad selbst verschanzt haben, um einen Häuser- und Straßenkampf im Schutz der Zivilbevölkerung zu erzwingen.
Die südirakische Stadt Basra ist weiterhin von britischen Einheiten eingekreist, doch einen Vorstoß in die Stadt hinein unternahmen diese auch gestern nicht. Allerdings gelang den Briten nach eigenen Angaben die Einnahme eines Industriekomplexes am Stadtrand, aus dem heraus die britischen Einheiten immer wieder von Scharfschützen attackiert worden waren. Die Zahl ziviler Opfer allerdings scheint ständig weiter zu steigen. Dafür sprechen nicht nur die Berichte über den Einsatz von Streubomben (s. Seite 2). Der irakische Informationsminister gab an, seit Mittwoch seien mindestens 19 Zivilisten getötet und über 200 verletzt worden.
Das könnte ein Vorgeschmack darauf sein, was der Hauptstadt noch bevorsteht, wenn auch hier eine lange Belagerung erfolgen sollte. Das allerdings dürfte das Bild des Krieges noch einmal zu Ungunsten der USA verändern, und so zitiert die New York Times gestern auch einen nicht näher genannten hochrangigen US-Offizier mit den Worten, die USA wollten eine lange Belagerung auf jeden Fall verhindern. Ihr Ziel sei es daher gewesen, den Rückzug irakischer Einheiten in die Hauptstadt zu unterbinden. Die US-Truppen hätten daher versucht „alles zu töten, was sich Richtung Stadt bewegt“. Jetzt sei es das Ziel der US-Truppen, so die Zeitung weiter, die Ausfallstraßen zu kontrollieren und sich auf den Kampf im Stadtzentrum vorzubereiten.