Lesbengeschichten

Monique Wittig wird am 13. Juli 1935 in Dannemarie, Elsass, geboren. Ihre Eltern fliehen, da Nazigegner, nach Rouergue in der Auvergne, ehe die Familie nach Paris geht.

Ihr erster Roman („Opoponax“), den sie 29-jährig veröffentlicht, wird ihr größter Erfolg. Eine Kindheitsgeschichte in experimentellem Ton geschrieben und für die Sechzigerjahre mit überraschendem Ausgang: Das erzählende Mädchen verliebt sich in eine Mitschülerin. Wittig erhält dafür den bedeutenden Prix Médicis.

Ende der Sechziger gründet Wittig die französische Frauenbewegung mit, sie organisiert jedoch auch eine Gruppe „feministischer Revolutionäre“.

Wittig ist eine radikale, feministische Denkerin und offen lebende Lesbe. Ihre folgenden Bücher setzen sich mit dem weiblichen Körper und der weiblichen Sozialisation auseinander: teils fiktiv, immer experimentell.

Wittig beschreibt die sich selbst reproduzierenden Tabus der heterosexuellen Gesellschaft und entwickelt einen Stil, der alle kommunikativen Konventionen zurückweist. Und sie entwirft neue Chiffren – beispielsweise das „O“ in „Les Guérillères“. Es mag für Loch, Vagina, Schlund, Zentrum, Kraft, Geheimnis, Erkenntnis stehen.

Handlungen stehen in ihren Romanen nicht im Vordergrund, sie spielen lediglich auf der Metaebene. Stattdessen setzt die Autorin auf die Erweiterung des Sprachverständnisses – darauf, wie gedacht wird. „Was die Verwendung der Sprache betrifft, so ist das Thema, oder besser der Anlass oder das Material von jedem meiner Bücher die Arbeit an einem Pronomen“ sagt sie 1986 der Emma. Erst in den Neunzigern wird die Queertheorie ihre Ansätze würdigen.

Deutschsprachige Übersetzungen ihrer Bücher sind nur noch antiquarisch erhältlich: „Opoponax“ ist 1968 bei Rowohlt erschienen; „Les Guérillères“ 1980 unter dem Titel „Die Verschwörung der Balkis“ beim Verlag Frauenoffensive ebenso wie 1983 „Lesbische Völker“. „Le Corps Lesbien“ kam 1977 unter „Aus deinen zehntausend Augen Sappho“ im Amazonen Frauenverlag auf Deutsch heraus.

Die Übersetzungen verlagern Wittigs feministische Radikalität mitunter ins Esoterische. Das wurde von Wittig abgelehnt. Ihre Schriften „Virgile, Non“ und „The Straigth Mind“ sind nicht ins Deutsche übersetzt worden.

Zusammen mit Simone de Beauvoir und der Sozialökonomin Christine Delphi arbeitet sie für die Zeitschrift Questions feminists („Feministische Fragen“). Mitte der Siebziger zieht Monique Wittig in die USA.

1986 promoviert sie in Sprachwissenschaften. Von 1990 bis zu ihrem Tod am 3. Januar 2003 lehrt sie an der Universität in Tuscon, Arizona, Genderstudien sowie Romanistik.

2001 kam der Film „The Girl“ heraus, für den sie mit ihrer Lebensgefährtin Sande Zeig, die auch Regie geführt hat, das Drehbuch schrieb.

Lektüretipp: Andrea Kraß (Herausgeberin): Queer Denken. Queer Studies (mit vielen Verweisen auf Monique Wittig), Edition Suhrkamp, Frankfurt am Main 2003, 358 Seiten, 14 Euro WALTRAUD SCHWAB