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Archiv-Artikel

zeichen von agonie in der sozialdemokratie Der Auftakt zu einer tiefen Depression

Von JAF

Franz Müntefering ist seit Freitag designierter SPD-Vorsitzender. Trotzdem will sich keine gute Stimmung, keine Hoffnung auf bald bess’re Zeiten unter den Parteigenossen einstellen.

Heißen sie nun Thomas Mirow, Ute Voigt, Harald Schartau, Andrea Ypsilanti oder Christoph Matschie: Niemand, der in der zweieinhalbten Reihe der Sozialdemokratie eine öffentlich halbwegs vernehmbare Stimme hat, der nicht betonte, wie schön es sei, dass nun Müntefering sich um die Parteidinge kümmern werde, Schröder aber nur noch um jene, die im Kanzleramt verhandelt werden. Doch seltsam: Alles in allem klingt das, was zu hören ist, nicht gerade wie der anbrechende Frühling.

Man lobt – was sonst? Nur Heiko Maaß traut sich auszusprechen, was noch vor anderthalb Jahren als Verrat wahrgenommen worden wäre: Gerhard Schröder könnte als Kanzlerkandidat ungeeignet sein. Worauf der Saarländer reagiert, ist die Angst, nie mehr zum Zuge zu kommen: Die SPD wird bis auf weiteres mit Wahlniederlagen der desaströsesten Art rechnen müssen. In Hamburg sowieso, 2005 in Nordrhein-Westfalen. Agenda 2010? Keine Promotion für die Partei, sondern der Auftakt zu einer tiefen Depression.

Die Menschen, die von der Sozialdemokratie die Durchsetzung besserer Lebensbedingungen erhofften, sind fast nur noch hasserfüllt auf diese Partei zu sprechen – und die Person, an der diese Aversion sich entzündet, heißt mehr und mehr: Gerhard Schröder. Jeder Depressive hofft, Schwermut in Hochstimmung zu verwandeln. In der Psychiatrie nennt man dies manisch-depressiv: Himmelhoch-jauchzend-zu-Tode-betrübt. Allein: Als der ehrenwerte Müntefering zum Parteichef ausgelobt wurde, blieb dieses Jauchzen aus.

Das gibt zu denken. Dass die SPD tatsächlich verbraucht ist und lieber morgen als übermorgen wieder Opposition sein möchte. Ein Suizid aus Angst vor dem Tod wäre das, aber seelisch wäre ein solcher Akt gesünder zu überstehen als das, was die Partei an Schlägen momentan aushalten muss: Jedwede Glaubwürdigkeit ist hin.

„Sie können’s einfach nicht“ (Merkel), die Regierungsgeschäfte populär zu managen. JAF