: Spaziergänger verspielen Vertrauen
Union-Präsident Bertram hat nach einer weiteren Nullnummer gegen Karlsruhe keine Lust mehr auf sein Team
Das Spiel des FC Union gegen den Karlsruher SC war eine jener Begegnungen, bei denen sich die Zuschauer in der Pause fragen, warum es eigentlich eine zweite Halbzeit geben muss. Wieder einmal hatte Union-Trainer Mirko Votava vor dem Spiel große Zuversicht ausgestrahlt, hatte berichtet, es sei so gut trainiert worden, dass eigentlich gar nichts schief gehen könne. Und in gewisser Weise hatte er Recht. Schief gegangen ist nichts. Gelungen aber auch nichts. Wieder einmal stand am Ende ein 0:0-Unentschieden zu Buche.
Und die Reporter machten sich in Ermangelung mitreißender Szenen auf dem Spielfeld auf die Suche nach Geschichten, die nur indirekt mit dem Spielgeschehen zu tun hatten. Die der Zahl 61 zum Beispiel. Sie kursierte mit einem Mal. Ronny Nikol hat nämlich in bislang allen 61 Zweitligaspielen, die der FC Union in seiner Geschichte ausgetragen hat, mitgespielt. Durch die gelbe Karte, die er in der 18. Spielminute nach einer Attacke gegen Gästetorhüter Martin Fischer gezeigt bekam, wird diese Serie aber reißen. Denn es war die fünfte Verwarnung für Nikol in dieser Saison. Am kommenden Wochenende in Duisburg wird er pausieren müssen.
Schiedsrichter Peter Gagelmann fiel nicht nur in der oben genannten Szene bei der Verwarnung von Nikol auf. Das hat nicht unbedingt mit seinen Entscheidungen zu tun, sondern vielmehr mit seiner erstaunlichen körperlichen Fitness. Gagelmanns Sprints zu den Spielern, die zu ermahnen er sich aufgemacht hatte, waren geradezu unwiderstehlich. Unions Chefspaziergänger Steffen Menze zeigte über die gesamten 90 Minuten keine vergleichbare läuferische Leistung. Das aber war nicht weiter schlimm, denn der Karlsruher SC konnte die Eisernen kein einziges Mal in ernsthafte Bedrängnis bringen.
Immerhin ist das die positive Erkenntnis aus einem erbärmlichen Kick: Union war trotz aller Mängel im Spielaufbau und im Abschluss die weitaus bessere von zwei schlechten Mannschaften. Das lässt auf den Verbleib in der zweiten Liga hoffen. Denn der KSC steht auf einem Abstiegsplatz – Union nicht. So richtig glücklich machte diese Erkenntnis den Union-Präsidenten Heiner Bertram nach dem Spiel jedoch nicht. Er entzog seiner Mannschaft kurzerhand das Vertrauen für die kommende Saison. Union müsse, so meinte er, im oberen Drittel der Liga mitspielen, was mit dem vorhandenen Kader nicht möglich sei.
Die Union-Anhänger unter den gut 7.000 Zuschauern bekamen in der zweiten Hälfte aufgrund eines eigentlich gar nicht mehr für möglich gehaltenen Leistungsabbaus der Gäste noch einige Torszenen geboten. KSC-Keeper Fischer rückte in den Mittelpunkt des Geschehens. Bei ihm müssen sich die Badener bedanken, dass sie wenigstens einen Punkt holen konnten. Erstaunlich eigentlich. Denn Fischer, nur die Nummer vier im Karlsruher Tor, ist nur durch Verletzungspech der anderen Keeper in der zweiten Liga gelandet. Und ausgerechnet ihm verdanken die Badener den Punktgewinn in Berlin. So hat auch ein mieses Spiel seinen Helden gefunden. ANDREAS RÜTTENAUER