: Bildung ist ein Menschenrecht
betr.: „Zur Schule statt in den Steinbruch“, taz vom 5. 2. 04
Niemand würde auf die Idee kommen, die Durchsetzung des Rechts auf Meinungsfreiheit als falschen Ansatz in Richtung einer aufgeklärten und demokratischen Gesellschaft zu bezeichnen. „Der Ansatz, die Bildung zu fördern, sei [deshalb] oft zum Scheitern verurteil“, so Klaus Heidel. Wer die Situation von (arbeitenden) Kindern sozial und rechtlich stärken will, der muss sich für die umfassende Durchsetzung für Schulbildung für alle Kinder einsetzen. Gerade in Gesellschaften, in denen nicht nur Armut Kinder vom Schulbesuch abhält, sondern festgefahrene, diskriminierende Strukturen (Diskriminierung von Mädchen, Armen, ethnischen Gruppen, gesellschaftlichen Gruppen etc.), muss ein reformiertes Bildungssystem für entsprechende Umwälzungen sorgen. Deshalb muss an die Stelle der Akzeptanz, dass es eine bestimmte Gruppe von Kindern gibt, die keinen Zugang zu Bildung haben und stattdessen ihr Überleben mit schwerer, nicht kindergerechter Arbeit sichern, die Norm treten, dass es keine Form von Kinderarbeit geben darf, die ein Kind vom Schulbesuch abhält. Bildung steht an erster Stelle für die gesellschaftliche, politische und nachgewiesen wirtschaftliche Entwicklung eines Landes.
Es werden in der internationalen Entwicklungshilfe Millionen von Euro ausgegeben, die unabhängig voneinander schulische Grundbildung auf der einen Seite und Projekte gegen Kinderarbeit auf der anderen unterstützen. Jedoch ist heute der unmittelbare Zusammenhang von Kinderarbeit, Analphabetismus und Armut unbestreitbar und genau an dieser Schnittstelle liegt auch die Chance für die Zukunft. Es muss begriffen werden, dass Armutsbekämpfung nur dort greift, wo die Armen unterstützt und ihnen eine Chance gegeben wird. Deshalb kann man nicht von der Wahl zwischen zwei Übeln sprechen: entweder Schule und hungern oder arbeiten und überleben. Das Recht auf Arbeit, faire Löhne und soziale Absicherung muss den Eltern, der Familie verschafft werden. Das Recht auf Bildung muss für die Kinder durchgesetzt werden. Sodass Arme aus dem Kreislauf von Marginalisierung, Rechtlosigkeit und Ausbeutung ausbrechen können. […]
„Anstatt Kinderarbeit abschaffen zu wollen, könne es sinnvoller sein, die soziale und rechtliche Situation der Kinder zu stärken“, so Heidel. Paradox scheint, dass Heidel, als vermeintlicher Experte für Kinderarbeit, hier Bildung als einen falschen Ansatz für die Abschaffung von Kinderarbeit bezeichnet, im gleichen Atemzug aber von der Stärkung der rechtlichen und sozialen Situation von Kindern spricht. Bildung ist ein Menschenrecht, das in internationalen Verträgen wie dem Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte oder der UN-Kinderrechtskonvention (1966) festgeschrieben ist. Der gleiche und gerechte Zugang zu Bildung ist ein entscheidendes Kriterium für soziale Gerechtigkeit. Was Heidel scheinbar meint, ist, dass Kinder ein Recht auf Arbeit hätten. Und was ist mit der Verpflichtung der Regierungen, für die Bildung und soziale Absicherung zu sorgen? Es ist doch offensichtlich, dass, wenn Kindern das Recht auf Arbeit eingeräumt würde, gleichzeitig dafür gestimmt wird, das weiterhin Millionen von Menschen in Armut und Unmündigkeit und frei für die wirtschaftliche Ausbeutung (weil arme Menschen abhängig sind) gehalten werden. Deutschland braucht Experten und Indien ein Recht auf Kinderarbeit? Eine andere Welt ist nur möglich, wenn wir keinen Unterschied zwischen Menschen machen! CAROLINE SCHMIDT, Burgstädt