: Ein Drahtseilakt für Berlins Bausenator
Der langjährige SPD-Superpolitiker Peter Strieder droht über die Affäre Tempodrom zu stolpern
Es gibt ein seltenes Foto mit Peter Strieder, da reitet er auf einem Elefanten. Mit von der Partie ist Irene Moessinger, Gründerin des Tempodroms. Beide haben Spaß, beide lachen. Das Bild stammt aus den seligen Zeiten Westberlins kurz vor dem Fall der Mauer. Das berühmte Kulturzelt war noch unter einer Zirkuskuppel beheimatet. Und Strieder hatte das Amt des Bürgermeisters von Kreuzberg inne. Glorreiche Tage.
Heute ist Strieder Landeschef der Berliner SPD und seit Jahren „Supersenator“, erst der CDU-SPD-, dann der SPD-PDS-Koalition. Doch zum Lachen ist dem Mann für Bauen, Stadtentwicklung und Verkehr nicht mehr zu Mute, geht es ums Tempodrom. Strieder – ein Dickhäuter im politischen Geschäft – ist dünnhäutig geworden. „Ich sehe da überhaupt kein Problem“, sagt er zu den Vorwürfen, er habe beim rund 30 Millionen Euro teuren Projekt für das „Neue Tempodrom“ 2001 eigenmächtig zu hohe öffentliche Mittel draufgesattelt, „faule“ Kredite genehmigt oder gar Parteispenden eines Bauunternehmens als Äquivalent für eine letzte öffentliche Finanzspritze für die vom Baustopp bedrohte Kulturinstitution angenommen. Doch mehr sagt der 52-Jährige nicht. Jedes weitere Wort könnte ihn über die so genannte Tempodrom-Affäre stürzen lassen.
Dass der Senator, der schon so manchen Skandal ausgehalten und ausgesessen hat, nun ausgerechnet wegen des Tempodroms in der Schusslinie steht, hat Strieder sich letztendlich selbst zuzuschreiben. Er, der seit Rot-Rot den CDU-Filz Diepgens und des verschwenderischen „Systems Westberlin“ aufs Korn nahm, muss sich jetzt eigens des Filzvorwurfs desselben Stils wegen erwehren. Was nicht leicht sein wird: Es war Strieder, der sich vehement für die Ansiedlung des Tempodroms nach dessen Räumung 1996 aus dem Tiergarten in Kreuzberg – seinem Wahlkreis – stark machte. Strieder hat auch den gezackten Neubau hochgelobt, trotz absehbar explodierender Kosten. Und während andere Institutionen in der Pleite-Stadt mit ein paar Brosamen für ihre Investitionen abgespeist wurden, soll der Senator aus alter Freundschaft zum Zelt, den Elefanten und Moessinger gleich dreimal in Millionenhöhe nachgezahlt und die Immobilie schließlich per Bürgschaft in die Obhut des Landes genommen haben, damit das Projekt nicht platzt. Das sind die Vorwürfe, die jetzt ein Untersuchungsausschuss klären soll. Kein Problem, die CDU war’s, kontert Strieder und verweist zu Recht auf die Rolle von CDU-Senatoren in Zeiten von Schwarz-Rot.
Ob das reichen wird, ist fraglich, denn auch in der Berliner SPD ist Strieder umstritten. Zwar spricht der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit von „konstruierten Dingen“ der CDU und FDP, die den Rücktritt fordern. Doch in der hauptstädtischen Sozialdemokratie gärt es. Man hat miserable Umfragewerte, und der trickreiche, selbstgefällige Strieder ist nicht beliebt. Wird ein Bauernopfer gebraucht, wäre er der geeignete Kandidat.
ROLF LAUTENSCHLÄGER