Global fordern – lokal verschleppen

Auf der Artenschutzkonferenz in Malaysia fordert Deutschland eine weltweite Vernetzung der Naturschutzgebiete. Zu Hause kommt die Vernetzung der Naturflächen nur mühsam voran; eine systematische Strategie zum Artenschutz fehlt völlig

VON MATTHIAS URBACH

Auf der siebten Konferenz zur Konvention über die Biologische Vielfalt (CBD) im malaysischen Kuala Lumpur werden einmal mehr die Interessen von entwickelter Welt und armen Ländern aufeinander prallen. Hier der reiche Norden, der seine ursprünglichen Naturräume bereits weitgehend zerstört hat und nun die letzten Urwälder und Korallen retten will. Dort der unterentwickelte Süden, für den der Raubbau oft eine schwer verzichtbare Einnahmequelle darstellt. Und dazwischen mindestens 60.000 Arten, die nach Schätzungen von Klaus Töpfer, Chef des UN-Umweltprogramms, jährlich vom Erdboden verschwinden.

Entsprechend wollen Deutschland und die EU dem Süden helfen, entsprechend dem Naturschutz neue und nachhaltige Einnahmequellen wie Tourismus zu erschließen – als Ausgleich für die Ausweisung weiterer Gebiete. „Die eigentlich spannende Frage wird sein, ob man eine Balance hinkriegt“, sagte der Umweltminister Jürgen Trittin der taz. Schon heute beschäftigen sich in Trittins Haus Naturschutzexperten etwa mit nachhaltigen Lebensgrundlagen für die Ureinwohner in Brasiliens Tropenwäldern.

Trotz solcher Innovationen und dem vor zwei Jahren endlich novellierten Naturschutzgesetz sind die Umweltverbände alles andere als zufrieden mit dem Zustand in Deutschland. So ist Deutschland bei der Vernetzung seiner Naturräume in der EU eines der Schlusslichter. „Deutschland müsste hier die Konvention endlich umsetzen“, klagt Hubert Weinzierl, der Präsident des Deutschen Naturschutzringes (DNR).

Die EU will mit so genannten FFH-Gebieten die Naturräume großzügig vernetzen. Rund 14 Prozent der EU-Fläche werden bald FFH-Gebiet sein – doch Deutschland kommt bislang gerade mal auf 9 Prozent. „Jetzt sieht es endlich so aus, dass Deutschland es doch noch schaffen könnte, ein akzeptables Netz zusammenzustellen“, urteilt Christoph Heinrich vom Naturschutzbund (Nabu). Das Ausweisen ist Sache der Länder. „Nur Niedersachsen und NRW stellen sich immer noch quer.“ Dort kommt man bislang nur auf 6 Prozent der Fläche, so Heinrich. „Auch die grüne Umweltministerin Bärbel Höhn spielt hier keine überzeugende Rolle.“

Dabei ist die mangelnde Vernetzung noch nicht einmal die größte Gefährdung für den hiesigen Artenschutz. Umweltminister Trittin sieht „die größte Ursache“ in der Zersiedelung, vor allem der Ausweisung ständig neuer Baugebiete. Deshalb müssten auch Pendler- und Eigenheimpauschale erneut auf den Prüfstand, sagte Trittin. Zwar sank der tägliche Flächenverbrauch von 129 Hektar vor gut zwei Jahren inzwischen wieder auf 105 Hektar. Doch dies geht laut Statistik allein auf die Rezession zurück. Zudem lautet das von der Regierung angestrebte Ziele 30 Hektar pro Tag.

Doch wie dieses Ziel erreicht werden soll, dafür gibt es noch keine Konzepte. Fest steht nur: Mit dem Kappen von Pendler- und Eigenheimpauschale wird man nicht weit kommen. Die Ursachen sind komplexer: So sind die Städte mit dichtem Verkehr und sozialen Problemen für viele Familien unattraktiv. Guter Wohnraum in der Stadt ist für viele unerschwinglich.

„In Deutschland haben wir noch immer keine Naturschutzstrategie“, klagt DNR-Chef Weinzierl. Obwohl die Regierung dieses Jahr ihre Nachhaltigkeitsstrategie zum ersten Mal fortschreibt, wird ein ausführliches Kapitel zum Artenschutz wieder fehlen. Erst 2006 will Trittins Ministerium das nachliefern. „Worauf warten die noch?“, fragt Weinzierl. „Die Probleme sind doch bekannt.“