: „Ein Test am Original wäre sinnvoll“
Wolfram König, Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz, zum Castor und zu gesetzlichen Sicherheitsansprüchen
taz: Herr König, Sie haben jüngst das letzte AKW-nahe Zwischenlager genehmigt. Warum lassen Sie zu, dass die Wände und Decken der süddeutschen Lager weniger stabil sind als die im Norden?
Wolfram König: Ich hatte zu prüfen, ob die vom Atomgesetz geforderte Sicherheit gewährleistet werden kann. Genau dies ist geschehen.
Ihnen genügen die dünnen Decken im Süden?
Ich habe nie ein Hehl daraus gemacht, dass ich es für wünschenswert gehalten hätte, die Sicherheit nicht allein auf die Castor-Behälter abzustellen und stattdessen auch dickere Betonwände vorzusehen. Das wurde von den Antragstellern im süddeutschen Raum abgelehnt.
Mit welcher Begründung?
Die Antragsteller der süddeutschen Zwischenlager erklärten, die Sicherheit werde schon allein durch die Stabilität des Castors gewährleistet. Das haben wir geprüft – und zwar schärfer als unsere Vorgänger. Unsere Gutachter kamen zu dem Schluss, dass die Behälter auch im süddeutschen Raum an den Atomkraftwerken sicher gelagert sind. Festzuhalten ist, dass die Wände dieser Zwischenlager aus bis zu 85 Zentimeter starkem Stahlbeton bestehen – das sind ja keine Leichtbauhallen. Der Castorbehälter selbst hat eine Wandstärke von 40 Zentimeter Gusseisen mit Kugelgraphit.
Aber ist es der Bevölkerung zu vermitteln, wenn man in süddeutschen Zwischenlagern auf eine stabile, gesicherte Lagerhalle verzichtet?
Die gesetzlichen Anforderungen sind entscheidend. Diese Anforderungen sind auf meinen Wunsch hin noch einmal von der RSK, der Reaktorsicherheitskommission, geprüft worden, und auch die erklärt, dass dieses Konzept dem Stand der Technik entspricht. Auch der Vorsitzende der RSK, Michael Sailer, sieht das so. Auch wenn ich mir stärkere Zwischenlagerwände in Süddeutschland gewünscht hätte: Ich hatte kein Instrument, die Antragsteller dazu zu zwingen, da sie auch mit einem anderen Konzept die Genehmigungsvoraussetzungen erfüllen konnten.
Eine Studie der Gesellschaft für Reaktorsicherheit ergab, dass unsere Atomkraftwerke nicht ausreichend gegen Flugzeugabstürze zu sichern seien. Muss man vor diesem Hintergrund nicht auch die Sicherheitsstandards der Zwischenlager überdenken?
Ja, das habe ich bereits vor einigen Jahren getan: Früher hat man nur geprüft, ob der Castor dem Absturz einer schnell fliegenden Militärmaschine standhält. Nach dem Terroranschlag vom 11. September habe ich untersuchen lassen, ob die Behälter auch dem gezielten Absturz einer Passagiermaschine standhalten. Hierbei muss man berücksichtigen, dass ein Passagierjet große Mengen Kerosin getankt hat. Wir sind da sehr konsequent vorgegangen, und ich habe einen Weg bestritten, der bei den Antragstellern nicht nur Freude hervorgerufen hat. Die Gutachten kommen zu dem Schluss, dass selbst mit dem größten Flugzeug, das derzeit betrieben wird, keine unzulässige Freisetzung von Radioaktivität aus dem Castor zu befürchten ist.
Wie sieht es mit den Anflugwinkeln und den Geschwindigkeiten aus? Sind die ganz realistisch gewählt worden, also so, wie sie bei den Twin Towers in New York waren?
Die Geschwindigkeiten sind Worst-case-Szenarien entnommen worden, das heißt, es wurde geprüft, wo ein gezielter Absturz die größten Auswirkungen auf Bauten und Behälter hätte.
Beunruhigt es Sie nicht, dass die Castoren, die den alleinigen Schutz gewährleisten sollen, niemals am Originalbehälter getestet wurden – sondern bloß in Computersimulationen?
Diese Vorgehensweise ist nach den IAEA-Standards zulässig. Danach sind Prüfungen aufgrund von Simulationen, Berechnungen und Tests an Modellen – oder eine Kombination davon – hinreichend. Aber natürlich wäre ein Test am Original unter realen Bedingungen sinnvoll – schon aus Akzeptanzgründen. Aber das kann ich nicht erzwingen.
Aber allen Ernstes, Herr König, Sie sagen ja selbst, Sie sind für den Test am Originalbehälter. Muss man denn nicht wenigstens bei den Castoren – wie bei neuen Autos – auf 1:1-Testreihen bestehen, bevor man so ein Zwischenlager genehmigt?
Wie gesagt: Die Voraussetzungen für die Genehmigung sind international festgelegt. Ich habe mich im Zulassungsverfahren der Behälter auf die Prüfergebnisse der Bundesanstalt für Materialforschung (BAM), die für thermische und mechanische Fragen zuständig ist, zu stützen, und derzeit habe ich keinen Anlass, diese Berechnungen in Zweifel zu ziehen.
Ist es richtig, dass demnächst in Deutschland endlich ein Testgelände für realistische Castor-Falltests eingeweiht wird?
Es ist richtig. Die Bundesanstalt für Materialforschung errichtet derzeit in Brandenburg eine solche Anlage. Ich würde mir wünschen, dass solche Prüfungen möglichst zeitnah mit der Einlagerung in die Zwischenlager durchgeführt werden.
INTERVIEW: KLAUS WITTMANN