: Pro: Kunst muss sein
Komm’ Heiliger-Fries, kehr bei uns ein: Die renovierten Aluminium-Reliefs gehören schnellstens zurück ans Haus der Bürgerschaft. Wohin denn sonst?
Nackt sieht sie aus, die Bürgerschaft, ohne Bernhard Heiligers Reliefs. Manche freut das. Sie hätten lieber, es bliebe so und die 15 Alu-Platten kämen nach der Restaurierung irgendwo in ein dunkles Depot. Sie mögen das Fries nämlich nicht. Sie finden es nicht schön. Vielleicht sogar richtig hässlich.
Nein, das ist nicht lächerlich. Das ist ein ernst zu nehmender Einwand. Denn ob ein Kunstwerk schön ist oder nicht, bleibt eine drängende Frage für den Einzelnen. Allerdings verspricht sie nur einen ausgesprochen limitierten Erkenntnisgewinn. Die Antwort gilt nämlich nur für den, der sie gibt. Sie sagt etwas aus über seineVorlieben, über die Befindlichkeiten seiner peer-group und über die Mode seiner Zeit. Nichts jedoch über die Qualität der Kunst.
Noch einmal: Geschmäcklerische Urteile sind unbedingt wünschenswert, gerade bezüglich Kunst im öffentlichen Raum. Sie abzugeben, ist jedermanns gutes Recht. Fatal wäre es jedoch, aus ihnen ein ästhetisches Gesetz abzuleiten. Wäre Kunst zum Schönsein verdammt, dann wäre sie nurmehr schieres Dekor: Ansehnlich, zahnlos und bequem. Ihre Devise: Was hässlich ist, stört. Und was stört, ist entartet.
Für den konkreten Fall folgt daraus: Ob sie schön sind oder hässlich, das spricht weder für noch gegen die Heiliger-Reliefs. Allerdings, wer gegen ihre Re-Montage plädiert, müsste inhaltlich argumentieren, um den Anschein willkürlicher Zensur wenigstens zu beschönigen. Wo könnte er da einhaken? Vielleicht ließe sich ja etwas simples aus der Künstler-Vita zimmern, à la Heiliger = Schüler von Breker = Hitlers Liebling = alles Nazis. Wären die Reliefs Fascho-Kunst? Trüge die Bürgerschaft verfassungsfeindliche Abzeichen?
Blödsinn! Was das Fries wirklich bedeutet, erschließt sich dem analytischen Blick auf die nackte Fassade. Frage: Was fehlt ihr? Antwort: Die Horizontale. Zur Zeit ragt sie einfach edelstählern-steil nach oben. Das war tatsächlich schon seit jeher ein prima Symbol – für Herrschaftsmodelle wie Kirchenstaat, Monarchie und Diktatur. Unbrauchbar ist das phallische Imponiergehabe allerdings für ein republikanisches Selbstverständnis. Drum verzichtet ja selbst unser Rathaus darauf. An genau diese Tradition hat Bürgerschafts-Architekt Wassili Luckhardt 1966 angeknüpft. Und deshalb plante er von Anfang an ein Fries für die Fassade ein – das er den damals renommiertesten deutschen Bildhauer gestalten ließ. Heiligers Reliefs bilden das Gegengewicht zur Senkrechten der Macht. Und ihre Basis: Sie sind Sinnbild für Demokratie. Sie zu eliminieren – das wäre ein verhehrendes Signal.
Benno Schirrmeister