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Nichts gesehen, nichts gewusst

SPD-Ministerpräsident Peer Steinbrück weist Vorwürfe zurück, er lasse seine Wahlkampagne von Beamten der Staatskanzlei ausarbeiten – auf Kosten der Steuerzahler. Reaktion: Nur noch Gelächter

VON ANDREAS WYPUTTA

Empört hat Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Peer Steinbrück gestern in einer aktuellen Stunde des Landtags Vorwürfe der Opposition zurückgewiesen, er spanne seinen Regierungsapparat zur Erarbeitung seiner Kampagne für den Landtagswahlkampf 2005 ein. In seiner gesamten Laufbahn als Politiker, seit seinem Amtsantritt als Staatssekretär in der schleswig-holsteinischen Landesregierung 1990 achte er „peinlich“ auf eine Trennung „zwischen Amt und Partei“, so der Regierungschef. Die Reaktion der Opposition aus Christdemokraten und FDP: Gelächter.

Zu offensichtlich ist seit Montag, dass Beamte in Steinbrücks Regierungszentrale über künftige Wahlerfolge ihres Chefs nachdenken – überall im Landtag kursiert eine 21-seitige Studie des Leiters der Planungsabteilung der Staatskanzlei, Werner Kindsmüller, mit dem Titel „Neue Kraft für den Aufbruch – Idee zu einer integrierten Kampagne im Jahr 2004 (siehe Ausriss). Die bittere Analyse Kindsmüllers: Der unter seinem norddeutschen Akzent leidende Regierungschef Steinbrück werde in NRW nicht als „einer von uns“ wahrgenommen, den Wählern fehlten Argumente, warum sie noch SPD wählen sollten. Der Ministerpräsident müsse endlich „als Mensch erfahrbar“, die Parteiorganisation in Ordnung gebracht werden. Kindsmüllers Idee: Steinbrücks Wahlkampagne solle doch bitte mit der vom Regierungschef selbst angeschobenen Imagekampagne ‚NRW vorn‘ verzahnt werden. Für die wollte Steinbrück auch noch große Wirtschaftsunternehmen aus Nordrhein-Westfalen als Sponsoren gewinnen. CDU und FDP sprechen bereits von „illegaler Parteienfinanzierung“.

Wie der Leiter der Staatskanzlei, Minister Wolfram Kuschke (SPD), ging Steinbrück gestern auf Distanz zu seinem Planungschef Kindsmüller: Ich habe das Papier nicht bestellt“, versicherte der Regierungschef – und den Text zumindest „in der vollständigen Version“ nicht gekannt. CDU und FDP inszenierten eine „Kampagne“ gegen ihn und regagiere auf alle Aktionen der Regierung mit dem Reflex „wie kriegen wir das kaputt“. Auch seine schöne Imagekampagne ‚NRW vorn‘ könne er jetzt wohl vergessen, ahnt Steinbrück – kein Unternehmen wolle sich nun noch einspannen lassen.

Auch der grüne Koalitionspartner kritisierte den Ministerpräsidenten: „Das Papier der Staatskanzlei irritiert auch Wohlmeinende“, so der parlamentarische Geschäftsführer Johannes Remmel zur taz. „Wir erwarten, dass sich so etwas nicht wiederholt.“

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