: „Bequemlichkeit ist der Feind“
Ein Gespräch mit dem Regisseur Monte Hellman über die Anfänge des New-Hollywood-Kinos in den Sechzigern, das Drehen mit kleinen Budgets und über das Gefühl, die große Karriere verpasst zu haben. Seine Filme laufen in der Retrospektive
INTERVIEW ANDREAS BUSCHE
taz: Mr Hellman, Sie haben einmal gesagt, dass Ihnen Ihre Karriere rückblickend seltsam vorkommt. Inwiefern?
Monte Hellman: Zu Beginn meiner Arbeit mit Roger Corman war ich noch sehr unschuldig. Ich habe nie an eine Karriere gedacht. Das ist ein Konzept, das sich erst in den letzten Jahren herauskristallisiert hat. Unsere Arbeitsweise hatte gar nicht die Kontinuität, auf der sich eine Karriere hätte gründen können. Von daher fällt es mir heute schwer, von einer Karriere zu sprechen. Ich habe das Gefühl, ich habe nie eine gehabt
Fühlen Sie sich also immer noch als das bestgehütete Geheimnis Hollywoods, wie Sie die L.A. Times einmal genannt hat?
Immer weniger.
War Ihnen Mitte der Sechziger bewusst, dass Hollywoods Filmindustrie bald schon solch einschneidende Veränderungen durchmachen würde?
Ich kann da nur für mich und vielleicht noch für Jack Nicholson sprechen. Natürlich hatten wir damals nicht im Traum daran gedacht, dass das Studiosystem irgendwann einmal zusammenbrechen würde. Nicholson und ich wollten einfach kleine Low-Budget-Filme außerhalb dieses Systems machen. Hätten wir ahnen können, dass diese Filme über dreißig Jahre später noch gefragt sein würden? Wir haben einfach dieses Gefühl von Freiheit genossen, machen zu können, was wir wollten.
Coppola, Bogdanovich, Fonda und Scorsese schafften den Absprung ziemlich schnell, aber Sie haben noch 1974 für Corman „The Cockfighter“ gedreht. Hatten Sie kein Interesse an einem größeren Studiofilm?
Meine Chance, ein großen Film zu drehen, kam gleich nach „Two-Lane Blacktop“. Mir sind danach drei oder vier Filme angeboten worden, und der, den ich schließlich akzeptierte, war „Pat Garrett And Billy The Kid“. Aber aus verschiedenen Gründen ist das Projekt in dieser Phase immer wieder verschoben worden, und als die Dreharbeiten schließlich begannen, hatte Sam Peckinpah den Film übernommen. Ich hatte all mein Glück auf eine Karte gesetzt, anstatt mir verschiedene Möglichkeiten offen zu halten. Das führt wieder zurück zu der Frage nach meiner Karriere. Damals war ich einfach nicht clever genug, ich hab’s vermasselt.
Was an Ihren Filmen so fasziniert, ist, wie geschlossen Ihre Einstellungen wirken, gerade wenn man die schlechten Produktionsbedingungen bedenkt. Fast jedes Bild ergibt eine geschlossene Einheit.
Zu meinen wohl größten Einflüssen gehört ein Theaterregisseur namens Arthur Hopkins. An seine Philosophie bezüglich Theater- und damit ganz folgerichtig auch Filminszenierungen habe ich mich immer gehalten. Der beste Begriff, diese zu beschreiben ist vielleicht „Selbstlosigkeit“. Für mich hieß das: Sobald das Publikum die Inszenierung oder das Spiel eines Darstellers bemerkt, habe ich etwas falsch gemacht. Es ist eine sehr einfache Philosophie: Verzichte auf alles, was vom Wesentlichen ablenken könnte.
Diese szenische Geschlossenheit vor allem in „Ride the Whirlwind“ und „The Shooting“ hat meiner Meinung nach viel zu tun mit der Wahl der Locations. Die Landschaft, das Schauspiel, die Dialoge sind unglaublich reduziert, so als stünde alles miteinander in Beziehung.
Diese drei Dinge sind für mich beim Filmemachen von entscheidender Bedeutung: die Wahl der Schreiber, die Wahl der Schauspieler und die Location. Diese Faktoren sind absolut gleichbedeutend, sie greifen nahtlos ineinander. Meine Zusammenarbeit mit Drehbuchautoren und Schauspielern verläuft sehr ähnlich. Man muss versuchen, ihnen ein Umfeld zu geben, in dem sie gerne arbeiten.
Interessant ist, dass Sie ganz bewusst nach traditionellen Western-Locations gesucht haben. Wie bei den klassischen Western von Hawks oder auch Boetticher spiegeln die Landschaften in „Whirlwind“ und „The Shooting“ die emotionalen Zustände der Figuren wider. Nur dass Ihre beiden Filme den Erzählprinzipien des klassischen Western zuwiderlaufen. Es sind Revisionen, genau wie „Two-Lane Blacktop“ in seiner Ziellosigkeit für mich ein revisionistisches Roadmovie ist.
Ich halte „Two-Lane Blacktop“ nicht einmal für ein Roadmovie. Für mich war es zunächst ein Film über Spieler und die Subkultur der Streetracers. Die Straße ist lediglich eine Bühne.
Auch in „The Cockfighter“ geht es um eine Subkultur, dazu eine sehr gut beobachtete. Haben Sie vor Beginn der Dreharbeiten in diesen Milieus recherchiert?
Es war mir sehr wichtig, solche Subkulturen realistisch darzustellen, nur leider blieb oft nicht die Zeit. Viele Entdeckungen, gerade bei „Cockfighter“, haben wir darum erst in den Wochen der Vorbereitung vor Ort gemacht. Es ist einfach wichtig, mit echten Menschen zu reden, damit der Film seinen realistischen Touch nicht verliert.
Fühlen Sie sich ab und zu, wenn Sie auf Ihre bisherige Karriere zurückblicken, um die Chance betrogen?
Ich habe nie einen Film ohne die Limitierung einer Independent-Produktion gedreht. Von daher hätte ich persönlich nichts gegen ein hohes Budget gehabt. Aber für mich waren diese Restriktionen immer sehr stimulierend. Es ist eine Herausforderung, die die Kreativität beflügelt. Bequemlichkeit ist der Feind.