: Container zum Kennenlernen
Wie sieht es eigentlich in Huchting aus? Oder in Strohm? Die Bremer kennen ihre eigene Stadt kaum. Abhilfe schafft die Ausstellung „Expo – Bremen und seine Stadtteile“ im Focke-Museum – und bietet den einzelnen Vierteln eine Plattform
Edle Schlichtheit kennzeichnet die Expansion des Focke-Museums. Erst neulich hatte man den schmucklosen Kupfer-Würfel des Schau-Magazins eröffnet. Nun schaffen knapp zwei Dutzend einfache Bretterverschläge auf dem Rasen des Focke-Parks etwa 500 Quadratmeter neue Ausstellungsfläche.
„Das Wort ‚Container‘ möchte ich in diesem Zusammenhang nicht hören“, bittet der Focke-Mitarbeiter Heinz-Gerd Hofschen. Zugegeben, die Herstellerfirma produziere sonst Übersee-Verpackungen für sperriges Frachtgut, da gebe es schon Ähnlichkeiten. Es handele sich aber um Pavillons: Die preiswerten Holzkästen von der Größe eines Bauwagens werden vom 18. Mai bis zum 28. September die Ausstellung „Expo – Bremen und seine Stadtteile“ beherbergen– parallel zur Ausstellung „Die Bremer Altstadt“.
„Die Stadt kennt sich selbst nicht“, tadelt Hofschen, der die Ausstellung leitet. Eine Stadt funktioniere aber nur durch das Zusammenspiel ihrer Einzelteile, jeder Stadtteil trage „sein Spezifikum zum Gelingen des Ganzen bei“.
Diese Besonderheiten möchte die „Expo“ ins rechte Licht rücken. Dafür bekommt jeder der 23 Stadtteile seinen eigenen Pavillon, der nach individuellen Konzepten gestaltet wird: Zum Beispiel mit Fotos, Objekten und Projektionen. Die einzigen einheitlichen Elemente aller Pavillons: Informationstafeln und ein halbtransparentes Folienbild, das in eine Fensteröffnung an der Stirnseite gespannt wird.
Neben einem geschichtlichen Abriss des betreffenden Stadtteils geben die Tafeln Auskunft über soziogeografische Details wie die Anzahl der Schulabschlüsse oder den Bevölkerungsanteil der Sozialhilfeempfänger.
„Ziel der Ausstellung ist eine realistische Darstellung der Stadtteile“, so Hofschen. „Wir wollen keine billige Polemik, aber auch nicht nur die Schokoladenseiten zeigen.“ Die „Expo“ wurde in enger Zusammenarbeit mit den Menschen vor Ort geplant, unter anderem mit Beiräten und Kulturvereinen. Das ging „nicht immer ohne Diskussion“. Einige Personen hätten ihren Stadtteil lieber als Postkarten-Idylle präsentiert. Andere wiederum zeigten zeigten sich problembewusst gegenüber den eigenen Lebensumständen.
Strohm zum Beispiel wird tagtäglich vom Lastverkehr aus dem Güterverkehrszentrum zerteilt – folgerichtig nimmt die erdrückende Masse eines alten, rostigen Lkw-Führerhauses fast den gesamten Raum des Pavillons ein. Als Kontrast dazu wird auf der Fensterfolie dahinter eine idyllische Ansicht des Dorfes zu sehen sein.
Das Huchtinger Fensterbild werde das zeigen, so Hofschen, was die meisten Bremer von dem Vorort kennen: Das Ausfahrtschild an der Bundesstraße 75. Dass in Huchting jedoch auch ein reges soziales Leben herrsche, dass seine Einwohnerschaft „stark vernetzt“ ist, wisse kaum jemand.
Die Dokumentation dieser Vernetzung und der politischen Mitbestimmung der Bürger ist ein weiteres Anliegen der Ausstellung. „Wussten Sie, dass die lokale Demokratie beispielsweise in der Vahr mit ihren regelmäßigen Stadtteilsitzungen sehr gut entwickelt ist?“
Die reiche Erfahrung der Bürger bei der Durchsetzung eigener Interessen schlug sich dann auch in der gepflegten Diskus-sionskultur bei den Planungen zur „Expo“ nieder: „Das war ein hochdiplomatischer Prozess“, erinnert sich der Ausstellungsleiter. Besonders dann, wenn sich die Vorstellungen einiger Ortsansässiger als zu teuer oder aus museumspädagogischer Sicht nicht sinnvoll herausstellten. Doch ohne das Fachwissen und den Kennerblick der Anlieger „hätten wir das nicht hinbekommen“, betont Hofschen. Was dabei teamintern gelang, soll auch bei den Besuchern der Ausstellung funktionieren: „Man lernt eine Menge voneinander.“
till stoppenhagen