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Archiv-Artikel

Politiker nicht in Käfige sperren

Justizsenator Roger Kusch (CDU) durch Messerattacke bei Wahlkampftermin leicht verletzt. Innenbehörde und Polizei sahen zuvor keine Gefährung. Diskussion um Personenschutz und Innere Sicherheit in Hamburg mitten im Wahlkampf neu entbrannt

von sven-michael veit

Nach einem Messerattentat auf Justizsenator Roger Kusch (CDU) entbrennt die Diskussion über Kriminalität und Innere Sicherheit in Hamburg neu. Vor allem Politiker rechter Parteien nahmen den Vorfall sofort zum Anlass, schärfere Sicherheitsmaßnahmen zu fordern. Über den Personenschutz für Politiker müsse „nachgedacht werden“, meinte Innensenator Dirk Nockemann (Offensive). Behörden und das Landeskriminalamt müssten „die Gefährdungslage neu analysieren“.

Sein Parteikollege und Zweiter Bürgermeister Mario Mettbach sieht diese „abscheuliche Tat“ als Beweis dafür an, „wie wichtig das Thema Innere Sicherheit auch für diesen Wahlkampf ist“. Und Ronald Schill forderte gestern Nachmittag während der Bürgerschaftssitzung im Gespräch mit Journalisten den Senat auf, für „besseren Schutz“ von Politikern zu sorgen: „Ein Politiker in dieser Stadt muss Wahlkampf machen können, ohne dass er bedroht wird.“

Kusch war am Vormittag bei einem Wahlkampftermin auf dem Wochenmarkt in Neugraben von einer Frau angegriffen worden. Nach Angaben von Augenzeugen hatte sie den 48-Jährigen als „schwule Sau“ beschimpft und mit einem Klappmesser zugestochen. Der Senator, der ohne Personenschutz unterwegs war (siehe Text unten), erlitt eine schmerzhafte Wunde am Oberschenkel. Nach mehrstündiger Behandlung im Hamburger Krankenhaus Mariahilf wurde er am Nachmittag wieder entlassen. Es gehe ihm „gut, auch psychisch“, so das ärztliche Bulletin. Am Montag will Kusch seine Amtsgeschäfte wieder aufnehmen.

Bürgermeister Ole von Beust (CDU) teilte nach einem Besuch bei Kusch mit, dieser sei bereits wieder „gefasst, auch wenn die Verletzung äußerst schmerzhaft ist“. Einen „hunderprozentigen Schutz“ für Politiker könne es nicht geben, sagte von Beust, „das Risiko“ gehöre zum Beruf: „Man will ja nicht im Käfig durch die Gegend geschoben werden“, so der Bürgermeister in Anspielung auf den Papst.

Kusch stand im August vorigen Jahres in Zusammenhang mit der Entlassung Schills als Innensenator. Dieser hatte behauptet, von Beust und Kusch hätten ein homosexuelles Verhältnis. Beide wiesen damals diese Unterstellung zurück. Ob die Tat der Messerstecherin schwulenfeindlich motiviert war, blieb gestern ungeklärt.

Unklar ist zugleich die angebliche Ahnungslosigkeit von Polizei und Innenbehörde, die von Kuschs Auftritt in Neugraben nichts gewusst haben wollen. Der Senator sei unangekündigt „als Überraschungsgast“ dort aufgetaucht. Die Terminübersicht der CDU im Internet hingegen kündigte für den „12.02.2004, 10.00 Uhr“ vielmehr an: „Vor Ort: Dr. Roger Kusch am Info-Stand der CDU-Süderelbe, Ortszentrum Neugraben“ (Recherchehilfe für den Staatsschutz: www.cduhamburg.de/termine).

Politiker aller Parteien äußerten gestern erwartungsgemäß ihre „Bestürzung“ und ihre „Abscheu“ über diese „feige“, „brutale“ oder „abscheuliche“ Tat. Zu Beginn der Bürgerschaftssitzung am Nachmittag verlas Parlamentspräsidentin Dorothee Stapelfeldt (SPD) eine Erklärung, wonach „Gewalt keinen Platz in der Demokratie haben“ dürfe.

Als Wahlkampfthema eigne sich der Vorfall aber nicht, beteuerten Abgeordnete vor allem der Koalitionsparteien. „Das kann ich mir nicht vorstellen“, meinte Leif Schrader (FDP). Allerdings müsse darüber nachgedacht werden, „ob die Sicherheit in Senat und Rathaus optimal ist“. CDU-Rechtspolitiker Carsten Lüdemann bestritt Auswirkungen auf Pläne, das Sicherheits- und Ordnungsgesetz zu verschärfen: „Das hat damit nichts zu tun.“ Im Vorjahr waren Forderungen vor allem der damaligen Schill-Partei nach „verdachtsunabhängigen Kontrollen“ auffälliger Personen und gar der Legalisierung des „finalen Rettungsschusses“ gegen Gewalttäter am Widerstand der Liberalen gescheitert. Innensenator Nockemann hingegen hält an diesen Forderungen fest.

Dessen Vorgänger Schill behauptete gestern, im Jahr 2002 „selbst Opfer von acht Angriffen“ geworden zu sein. Er wisse, „wie gefährdet wir sind“. Die Polizei, so Schill, „muss uns besser schützen“.

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