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Archiv-Artikel

Sex oder Futter

Dem Nashorn über die Schulter gelinst: tierische Perspektiven im Übersee

Warum druckt die taz keine Farbbilder? Weil sie nicht gefressen werden möchte. Oder wegen fehlender Paarungsbereitschaft – möglicher Erkenntnisgewinn aus der Ausstellung „Tiere bekennen Farbe“, die Sonntag im Überseemuseum eröffnet wird.

„Es gibt Kommunikation zwischen Organismen, denen wir das gar nicht zuschreiben würden“, sagt Kurator Peter-René Becker. Eine andere Strategie als die taz verfolgen offenbar, optisch eindrucksvoll im Sonderausstellungsbereich gezeigt, die Indian Summer-Wälder. Gerade ihre Farbintensität schützt sie nach Beckers Erkenntnissen vor Raupenbefall – blasse Blätter würden wesentlich schneller aufgefressen. Die Metabotschaft also lautet: Farben im Tier- und Pflanzenreich haben nichts mit Ästhetik zu tun, sondern mit Evolutionsdruck.

Entsprechend tarnen sich lecker schmeckende Schwebfliegen mit dem gelb-schwarzen Ringelkleid der schwer genießbaren Wespe; der Wolf, „ein unbuntes Tier“, behilft sich laut Becker mit ganzkörperlichem Mienenspiel, und Bakterienkulturen, die oxidierenderweise das berühmte „Meeresleuchten“ auslösen, wollen damit wahlweise anziehen oder abschrecken – alle immer beschäftigt mit der darwinistischen Grundfrage: Wer entdeckt mich zuerst, mein Feind oder mein Geschlechtspartner?

Den zum Meeresleuchten erforderlichen Sauerstoff können die BesucherInnen per Knopfdruck zuführen, alle drei Tage soll ein Bote des Max-Planck-Instituts für maritime Mikrobiologie die erschöpften Kulturen auswechseln. Weitere Mitmachangebote erstrecken sich auf Fragestellungen wie „Wie sieht ein Nashorn?“ oder „Wie fühlt man sich beim Blick durch ein Libellenauge?“ Dazu gibt es die Information, dass 80 Prozent der Weltbevölkerung selbige durch Komplexaugen sieht, also mehrfach unterteilt. Dafür sorgt die erdrückende Mehrheit der Krebse, Insekten und Spinnen.

Des weiteren sind Muscheln mit doppelter Augenreihe zu bewundern und Stielaugenfliegen, deren Sehorgane soweit auseinanderliegen wie das ganze Tier lang ist – allerdings nur in Form von Leuchtfotos. Bei diesen interessanten Tierchen hat das Übersee trotz seines eine Million Originale umfassenden naturwissenschaftlichen Fundus anscheinend passen müssen.

Aus der Palette der 20.000 Vögel konnte Becker jedoch einen kompletten Regenbogen zusammen stellen: 140 Bälge beweisen mit ihren leuchtenden Bäuchen, dass in der Natur sämtliche Spektralfarben vorhanden sind.

In Kooperation mit dem Übersee sind im Oldenburger Landesmuseum für Natur und Mensch die Ausstellung „Tiere hören hin“ (bis 8. März) und in Berlin „Tiere lügen nicht“ (Museum für Kommuniaktion, ab 26.3.) zu sehen. Die Bremer BesucherInnen können diese Dreiheit allerdings nur im gemeinsamen Katalog nachvollziehen. Henning Bleyl

Bis 18. April, Eröffnung Sonntag, 11 Uhr. Informationen über das pädagogische Begleitprogramm gibt es unter ☎ (0421) 160 38 190