: Nicht ohne mein Kopftuch
Viele kleine Aichas kamen zum Konzert des Hiphop-Trios Outlandish ins Columbia-Fritz. Dort zeigte die dänische Multikulti-Combo, dass sie mehr als ein One-Hit-Wonder ist
Ein Sommerhit macht noch keine Halle voll. Das mussten die Veranstalter schmerzlich erfahren, die am Mittwoch das Konzert von Outlandish im Columbia-Fritz organisiert hatten. Es bildete den Auftakt zur ersten Deutschlandtournee des dänischen Multikultitrios, dessen Coverversion des Schmachtfetzens „Aicha“ (Im Original vom algerischen Rai-Sänger Khaled) im vergangenen Jahr im deutschen Radio rauf und runter lief. Doch nur langsam füllte sich der Saal, und dann auch nur zur Hälfte.
Immerhin waren viele kleine Aichas gekommen, um das dänische HipHop-Trio zu sehen. Nicht nur die Old-School-Graffiti-Dekoration auf der Bühne, sondern auch das Durchschnittsalter der Anwesenden im Saal ließen dabei mehr als nur einen Hauch von Jugendzentrums-Atmosphäre aufkommen. Schon früh hatte sich ein kleiner Pulk von sieben, acht Kopftuchmädchen einen Platz in der ersten Reihe gesichert, umringt von vielen anderen Schülerinnen im Oberstufen-Alter: Nicht unbedingt der typische Anblick für ein HipHop-Konzert.
„Deutschland war das erste Land, in dem ‚Aicha‘ auf Nummer eins ging“, verkündeten Outlandish stolz, als sie endlich auf die Bühne stiegen. Zur Verstärkung hatten sich Lenny Martinez, Waqas Qadri und Isam Bachiri, wie die Drei heißen, einen akustischen Gitarristen mitgebracht, der auf einem Stuhl Platz nahm, einen Sänger namens Jakob sowie einen DJ, der im Hintergrund wie auf einer Tribüne thronte. „El Moro“, prangte in orientalischem Schriftzug auf seinem Pult.
Nach Kräften mühte sich die Combo zu beweisen, dass sie ganz sicher mehr als nur ein One-Hit-Wonder sind. Sie machten kräftig Druck und animierten das noch etwas ungeübt wirkende Publikum zu „Ho“-Rufen. „Ho“, antwortete der Saal – vorne in etwas höherer Stimmlage, hinten in etwas tieferem Timbre.
Für die typische HipHop-Crowd klingen Outlandish eine Spur zu poppig. Außerdem stammen sie nicht aus Brooklyn oder der Bronx, sondern lediglich aus Brondby-Strand, einem tristen Vorort von Kopenhagen: Ein erheblicher Nachteil im globalen HipHop-Wettbewerb. Dafür drücken sie ihren HipHop-Beats aber einen ganz individuellen Stempel auf: Mit multikulturellem Einschlag und einer offensiv zur Schau gestellten Religiosität. Lenny Martinez, der aus Kuba stammt, trägt ein dickes Kreuz um den Hals, und Isam und Bachiri haben sich den Bart nach muslimischer Art zurechtgestutzt. Entsprechend abwechslungsreich ist das Repertoire: Da gibt es eine fröhlich groovende Latin-Hymne wie „Guantánamo“, eine indisch angehauchte R-’n’-B-Nummer wie „Peelo“, oder das orientalische „Walou“. Es gibt mit „Eyes Never Dry“ aber auch einen nachdenklichen Song für Palästina, und mit „Fatimas Hand“ eine Stück, das die Tradition der Zwangsehe kritisiert.
Mit ihren Botschaften haben sie nicht nur in den Einwanderer-Quartieren Dänemarks einen Nerv getroffen. Sondern auch hierzulande bei einem Publikum, das in den multiethnischen Vierteln deutscher Städte aufgewachsen ist. Dieses Publikum mag zahlenmäßig noch nicht groß sein und auch nicht immer das Geld haben, sich eine Konzertkarte für 20 Euro zu leisten. Dafür aber ist es enorm begeisterungsfähig: „Er hat meine Hand angefasst“, konnte sich eines der Mädchen noch nach dem Konzert kaum einkriegen, weil ihr einer der Musiker die Hand gerecht hatte.
Da konnte man sich als Journalist natürlich privilegiert fühlen, den drei Jungs nach dem Konzert noch einmal backstage die Hand schütteln zu dürfen. Da saßen die drei erschöpft in ihrer Garderobe und bedienten sich bei den Wasserflaschen. Denn Alkohol trinken alle drei nicht: Aus Prinzip. DANIEL BAX