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Archiv-Artikel

Gewaltbereiter: Junge Frauen in Haft

Die Misshandlung einer Inhaftierten durch Mitgefangene im Lichtenberger Frauenknast wird Konsequenzen für den Vollzug im Untersuchungshaftbereich haben, sagt der Rechtsausschuss. Junge Frauen sozialgeschädigter als früher

Ein in seiner Brutalität für Berliner Frauengefängnisse einmaliger Vorfall wird Konsequenzen für die weitere Vollzugsgestaltung von jungen weiblichen Untersuchungshäftlingen haben. Das erklärte gestern der Staatssekretär für Justiz, Christoph Flügge (SPD), im parlamentarischen Rechtsausschuss. Anstaltsleitung und Justizverwaltung seien in Gesprächen darüber, „welche Veränderungen nötig sind“. Ein 23-stündiger Dauereinschluss der jungen Frauen, so Flügge, sei aber „nicht angezeigt“ und bei jugendlichen Untersuchungshäftlingen – im Gegensatz zu erwachsenen – auch nicht angebracht.

Die CDU-Fraktion hatte im Rechtsausschuss Aufklärung darüber verlangt, wie es dazu kommen konnte, dass eine 20-jährige Untersuchungsgefangene der Frauenhaftanstalt Lichtenberg von vier Mitinsassinnen vier Stunden lang in ihrer Zelle gequält worden war. Der Vorfall hatte sich in den Mittags- und Nachmittagsstunden des 1. Februars, einem Sonntag, ereignet. Insbesondere der Umstand, dass „das Personal während des langen Zeitraums nicht eingeschritten ist“, bedürfe einer Erklärung, so der rechtspolitische Sprecher der CDU, Michael Braun.

Von der Justizverwaltung wird zurzeit geprüft, ob gegen die zum Zeitpunkt des Vorfalls im Jugend-U-Haftbereich Dienst tuenden beiden Beamten disziplinarische Vorermittlungen eingeleitet werden. Nach allem, was ihm bekannt sei, so Flügge gestern, sei jedoch „nicht davon auszugehen, dass die Beamten geschlampt oder unaufmerksam gewesen sind“. Die Zelle, in dem das Opfer traktiert wurde, habe am Ende eines Flures gelegen. Außer der Klospülung sei es nicht möglich, draußen etwas von den Vorgängen im Haftraum zu hören. Dem Staatssekretär zufolge waren die Beamten zum Tatzeitpunkt mit der Freistunden- und Telefonaufsicht beschäftigt. Auslöser für die Tat soll ein verschwundener Nasenring gewesen sein. Das Opfer, das von den Täterinnen bezichtigt wurde, diesen entwendet zu haben, war zunächst mit einem Elektrokabel drangsaliert worden. Dann waren Haare und Augenbrauen abrasiert und Zigaretten auf ihrem Körper ausgedrückt worden. Die junge Frau musste ein Gemisch aus Shampoo, Spülmittel und Urin trinken. Nach vier Stunden war es ihr gelungen, den Notrufknopf zu betätigen. Die Täterinnen, die älteste 24, die jüngste 15 Jahre, sind in andere Haftanstalten verlegt worden. Gegen sie wird nun auch wegen dieses Vorfalls ermittelt.

Gewaltexzesse wie diese sind in Berliner Frauengefängnissen ein Novum. Bei der künftigen Vollzugsgestaltung muss laut Flügge nun dem Umstand Rechnung getragen werden, dass junge Frauen „inzwischen so sozialgeschädigt sind, dass sie gefährlicher und gewaltbereiter sind als früher“. PLUTONIA PLARRE