: Weniger Lehrer bleiben sitzen
Schulsenator Klaus Böger streicht in diesem Jahr doch keine Stellen für Referendare. Erst im nächsten Jahr bietet das Land 200 Plätze weniger an. Gewerkschafterin prophezeit dennoch Lehrermangel
von ANNA LEHMANN
Schlechte Aussichten, aber immerhin haben sie sich nicht weiter verdüstert: Für 2.000 Junglehrer, die sich in diesem Jahr für ein Referendariat bewerben, gibt es zum Einstellungstermin im August weiterhin 400 Plätze. Schulsenator Klaus Böger (SPD) hatte ursprünglich geplant, die Anzahl der Stellen für die schulpraktische Ausbildung von Lehramtsstudenten in diesem Jahr um über 200 zu senken. Das hätte bedeutet, dass im August nur 180 Bewerber eine Stelle gefunden hätten.
Dagegen hatten gestern Vormittag etwa 40 Lehramtsstudenten vor dem Amtssitz Bögers mit einer symbolischen Verlosung von Plätzen protestiert. Nur zwei von ihnen konnten sich am Ende freuen, der Rest ging leer aus.
Grundsätzlich bleibt der Schulsenator aber bei seinen Plänen, die absolute Zahl der Referendarsstellen in zwei Jahren von 1.900 auf 1.500 abzusenken (siehe Kasten). Dadurch sollen 4,5 Millionen Euro im Jahr gespart werden. Die Stellenstreichung wird jetzt nur um ein Jahr verschoben.
Nach Aussage Bögers kostet diese Verschiebung nichts. Er kann weiterhin den Jahressparplan erfüllen, weil er schon an anderer Stelle 3,5 Millionen Euro aufgebracht hat. Sein Trick: Die Behörde hat im letzten Jahr die beiden Einstellungstermine für Referendare verschoben: von Mai auf August und von November auf Februar. Das Resultat dieser Rochade: Die Referendare, die im Mai 2002 antraten, sind nach zwei Jahren Ausbildung fertig. Ihre Stellen werden aber erst im August 2004 wieder besetzt. Nächster Einstellungstermin ist dann Februar 2005. Bis das Einstellungssystem wieder im Gleichtakt läuft, braucht Bögers Behörde keine Gehälter für die unbesetzten Stellen zu zahlen.
Rosemarie Seggelke von der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) kritisiert, dass Böger Probleme nur um ein Jahr verschiebt. Die GEW hatte gefordert, die Zahl der Referendariatsstellen bei 1.900 zu belassen – sonst sehe Berlin einem großen Lehrermangel entgegen.
Der durchschnittliche Berliner Lehrer geht stramm auf die 50 zu. Ab nächstem Jahr rollt eine Pensionierungswelle auf Berlins Schulen zu, nach Berechnungen der Schulverwaltung müssen bis 2010 rund 6.500 Neulehrer eingestellt werden. Berlin spart sich also die teure Ausbildung, braucht aber trotzdem den Nachwuchs: Böger hofft, Lehrer aus anderen Bundesländern abzuwerben – und hat die Nachbarn im Blick: „In Brandenburg gibt es durch den dramatischen Rückgang der Schülerzahlen einen großen Überhang an Lehrern“, so der Senator.
Widerspruch erntet er von der GEW und vom Verband für Bildung und Erziehung, der Interessenvertretung verbeamteter Lehrer. Deren Sprecher Detlef Wulff verweist auf eine Studie der Kultusminister-Konferenz, in der trotz zurückgehender Schülerzahlen ein flächendeckender Lehrermangel prognostiziert wird. Danach werde der Bedarf an Lehrern für die Sekundarstufe I bis 2012 deutschlandweit nur zu 60 Prozent gedeckt.
Die Grünen wollen jetzt einen Entwurf vorstellen, der vorsieht, die Zahl der Referendarsstellen um 800 zu erhöhen. GEW-Vertreterin Seggelke mahnt den Senat, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Wenn der Staat das Monopol auf die Referendariatsausbildung habe, müsse er genügend Plätze zur Verfügung stellen.