: Geradliniger Linker an der Spitze
Jürgen Peters, der zweite Vorsitzende der IG Metall, soll Chef der größten deutschen Industriegewerkschaft werden – der krönende Abschluss einer langen Karriere
FRANKFURT/M. taz ■ Jürgen Peters, 59, der zweite Vorsitzende der IG Metall, gilt nicht gerade als Modernisierer. Metaller wurde er schon als Lehrling, und diese lange Gewerkschaftskarriere will er im Herbst mit dem Aufstieg zum Vorsitzenden der IG Metall, der größten deutschen Industriegewerkschaft, krönen. Den Segen des Vorstands hat er.
Jürgen Peters ist Flüchtlingskind, in Oberschlesien geboren, in Hannover aufgewachsen. Nach der Realschule lernte er Maschinenschlosser bei Hanomag. Er bildete sich weiter: Fachschulreife, Akademie der Arbeit in Frankfurt. Gelehrt hat er ab 1969, kaum dass er die Hochschule absolviert hatte. Peters bildete Gewerkschafter aus, ehe er vom Ehrenamt auf die Funktionärsebene wechselte.
Peters gilt in der IG Metall als gradliniger Linker vom alten Schlag, einer, der für Arbeitnehmerinteressen steht, sich gegen den Kapitalismus und die neoliberalistischen Modernisierungsversuche seiner Organisation stemmt und von Regierung und Wirtschaft unermüdlich und wortgewaltig immer wieder „mehr soziale Gerechtigkeit“ fordert. Rücksicht auf seine Partei, die SPD, nimmt er dabei nicht. Geld für die Gemeinschaftsaufgaben dürfe nicht immer nur bei den „kleinen Leuten“ eingetrieben werden, während „die Reichen immer reicher werden“.
Den Posten des Vize erkämpfte er sich 1998 gegen den Widerstand des Vorsitzenden Klaus Zwickel mit 89,73 Prozent der Stimmen des Gewerkschaftstages. Als Zwickel im Herbst 1999 für eine letzte Amtsperiode bestätigt wurde, ließen die Delegierten Peters eine Warnung für seinen Alleingang zukommen: Sie wählten ihn mit nur 77,38 Prozent wieder.
Peters’ Vorschläge sind in der Tat nicht sonderlich populär. Mit der Forderung, die Arbeitslosigkeit mit einer Rente ab 60 zu bekämpfen, setzte er sich in Widerspruch zu seinem Partei- und Gewerkschaftskollegen Bundesarbeitsminister Walter Riester.
Auf dem Zukunftskongress der IG Metall im Sommer 2002 stellte sich Peters vorsichtig noch einmal gegen Zwickel und lehnte eine Differenzierung des Flächentarifvertrages nach dem Betriebsergebnis ab. Unterstützung findet er dabei vor allem an der Basis, die eine weitere Entsolidarisierung der 2,67 Millionen Mitglieder fürchtet. Der Kandidat setzt auf sie und auf die mittlere Ebene, die wieder mehr in die Entscheidungen eingebunden werden müssten.
Zwickel, der sowohl mit seinen Kompromissen zum Bündnis für Arbeit scheiterte wie mit dem provokanten Vorschlag, einen Teil des Lohns in Aktien zu entgelten, geriet angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung ins Hintertreffen. Peters nutzte dies, um sich auch für die Interessen der Arbeitslosen stark zu machen.
Peters ist vielschichtig. Das von ihm gepflegte Bild des aufrechten Kämpfers ist eine seiner Seiten, eine andere, dass er als Tarifexperte für Reallohnsenkungen verantwortlich gemacht wird und an der Durchsetzung des VW-Tarifmodells „5.000 x 5.000“ maßgeblich mitwirkte.
Diese Kooperationsbereitschaft konterkariert er als derjenige, der sich ständig auch mit der rot-grünen Regierung anlegt. Er rüffelte den Kanzler für dessen Kritik an den Gewerkschaften, die den Kriegseinsatz in Afghanistan ablehnten, ebenso wie für seine gesamte Politik: Er sei, sagte er schon nach der Bundestagswahl 1998, enttäuscht, wie sich „die neoliberale Denke auch in der Sozialdemokratie durchfrisst“. HEIDE PLATEN