Zurück zum Hütchenspiel

Hamburger Mediziner warnen vor Abschied vom Safer Sex: Infektionszahlen bei HIV und Syphilis steigen kontinuierlich an. Neue Präventionsprogramme geplant

HIV- und Syphilisinfektionen sind in Hamburg auf dem Vormarsch. Mediziner, Vertreter der Gesundheitsbehörde und Mitarbeiter des AIDS-Präventionszentrums Hein & Fiete haben gestern eindringlich davor gewarnt, den Schutz vor der Übertragung beider Krankheiten auf die leichte Schulter zu nehmen. Im Klartext: Safer Sex ist wichtiger denn je, gerade für Risikogruppen müsse gelten: Zurück zum Hütchenspiel.

Da die Zeit zwischen Ansteckung und Erkennung der Krankheiten nicht genau bestimmbar ist, konnten die AIDS-Spezialisten zwar keine belastbaren Neuinfektions-Zahlen präsentieren, die Tendenz jedoch ist eindeutig. „Besonders bei homosexuellen Männern erleben wir seit einigen Jahren einen stetigen Anstieg von HIV-Infektionen“, weiß Dr. Ullrich Marcus vom Robert-Koch-Institut.

Die zweitgrößte Gruppe der Erkrankten stellen Migranten und Asylsuchende aus afrikanischen und südostasiatischen Staaten sowie der Karibik dar. So habe jede zweite HIV-infizierte Frau einen Migrationshintergrund. Bei den übrigen heterosexuellen Kontakten würde die Zahl der Virusübertragungen hingegen stabil bleiben.

Prof. Andreas Plettenberg vom Institut für Infektionsepidemiologie in St. Georg führt den Anstieg der Neuinfektionen darauf zurück, dass „die Angst vor der Infektion in den Risikogruppen“ und damit die Bereitschaft zum geschützten Verkehr nachgelassen habe. Aufgrund der verbesserten Behandlungsmöglichkeiten werde HIV fälschlicherweise immer seltener als unheilbare Krankheit mit tödlichem Ausgang wargenommen.

Auch die nachlassende Medienaufmerksamkeit und die verringerten Präventionsmaßnahmen würden zu dem kontinuierlichen Anstieg an Infektionen, der bereits seit Ende der neunziger Jahre sichtbar sei, beitragen. Verschärft würde das Problem durch die diversen Gesundheitsreformen. Medikamentenzuzahlungen und Praxisgebühr führten dazu, dass immer mehr Infizierte sich eine Therapie nicht mehr leisten können. Die Folge: Die Betroffenen würden infektiöser und damit für ihre Umwelt gefährlicher.

Um den Trend zu stoppen, plädiert Mathias Weikert, AIDS-Koordinator der Gesundheitsbehörde, für vermehrte „Aufklärungs und Beratungstätigkeiten und eine Auffrischung der Präventionsbotschaften“. Einen Beitrag dazu soll eine aktuelle von Hein & Fiete initiierte Postkartenkampagne leisten, deren zentrale Botschaft die Rückkehr zum Safer Sex ist. Zudem bemühen sich die Mitarbeiter des am Pulverteich beheimateten Präventionszentrums darum, die Betreiber von Homo-Saunen und Porno-Kinos zur kostenlosen Abgabe von Kondomen zu bewegen und ihr eigenes Beratungsangebot für schwule Männer auszubauen. Marco Carini