: Guten Morgen, Berlin–Detroit
Der große Tanz mag vorbei sein, doch die Achse zwischen Berlin und Detroit besteht weiter: Defcon 5 & Bluu und Theriak funken Signale aus der Zukunft und zeigen im Zentral Berlin, was sie unter Morning Music verstehen
Die Achse Berlin–Detroit steht spätestens seit der großen Männerfreundschaft von Dimitri Hegemann (Tresor, Berlin) und Jeff Mills (Jeff Mills, Detroit). Nun ist Techno seit etwa Mitte der Neunzigerjahre nur noch ein Begriff unter etlichen Etiketten für Musiken, die sich vornehmlich aus Sampler und Software speisen. Die transatlantische Standleitung aber bleibt geschaltet. Gegenwärtig wird sie gepflegt vom Berliner Trio Theriak und den Detroitern Defcon 5 & Bluu. Gemeinsam geht das Bündnis nun auf Europatour und betreibt etwas, das sie Morning Music nennen.
Kiwi Menrath, die mit ihrem Label Moving Records diese Tour unter dem Titel „Business Class Explosion Tour“ nach Berlin bringt, hat diesen Begriff einmal ins Spiel gebracht, ob sie die erste war – egal. Um ihren DJ-Abend „Push it“ anzukündigen, der jeden ersten Donnerstag des Monats ins kleine San Remo Upflamör an der Oberbaumbrücke einzieht, greift die Berlinerin gern zu dieser Beschreibung. Und fängt damit dieses Gefühl ein, noch den Schweiß und Schmutz einer guten Clubnacht am Körper zu haben, ihn aber erschöpft und glücklich in einem blubberndem Schaumbad aufzulösen.
Unter dem Pseudonym Defcon 5 greift der Detroiter Produzent Cella auf Kontrabässe, HipHop-Beats und Soulschmeicheleien zurück. Im Sounddesign aber setzt er auf die futuristische Glätte der Detroiter Trias der mittleren Jahre, Robert Hood, Mike Banks und Jeff Mills. Zu den prozessierten Sounds zählt auch die Stimme von Alicia Rene, die bereits für illustre Namen wie A Tribe Called Quest, die Last Poets und die Supremes gesungen hat. Unter dem Namen Bluu textet Alicia Rene für Defcon 5 über ihre Mutter, über Liebe, über Thelonious Monk und Billie Holiday.
Bei Bedarf treibt sie ihr Gegenüber durch schrille Wortstakkati an den Rande des Nervenzusammenbruchs. Etwa, wenn es wie im mittlerweile an Sony Japan lizensierten Hit „Goodbye“ auf möglichst harte Art „Tschüs“ zu sagen gilt. Abgesehen davon mag sie es aber am liebsten smooth und findet hinab in Tiefen, die sonst eher den Soulsängerinnen Erykah Badu oder Jill Scott vorbehalten bleiben. Theriak suchen dagegen eher die Weite. Ihr Beatlieferant lebt in Weimar, nennt sich Prymer und betreibt mit www.tokyodawn.org ein Netlabel für Breakbeats und Deep House. Gemeinsam mit Schlagzeuger Milian Vogel und Multiinstrumentalist Selim Sonos erzeugt Prymer unter dem Namen Theriak ruhende Keyboard-Flächen über verschlafenen Beats. Das Klischee von Lounge-Grooves vermeiden sie trotzdem: Wenn zum Beispiel Flöten zum Einsatz kommen, dann funktionieren sie weniger als Zitat aus Easy-Zeiten, sondern als sterilisierender Klang, als Signal aus der Zukunft.
CHRISTOPH BRAUN
Defcon 5 & Bluu, Theriak, DJs Kiwi und Neon Tse Tse, Sonntag, 13. 4., 22 Uhr, Zentral Berlin, S-Bahnbogen 131, Roch/Ecke Dircksenstraße, Mitte
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