: Quereinstieg für den Frieden
Viele Gruppen demonstrieren aktiv für den Frieden. Die organisierte Umweltbewegung hält sich dabei zurück. Begründung: keine Zeit, keine Leute. Viele Umweltaktivisten sind aber „privat“ dabei
von IMKE ROSEBROCK
Heute gehen wieder zahlreiche Menschen für den Frieden im Irak auf die Straße. Auch das wird als Beleg für die Wiederbelebung der totgesagten Friedensbewegung herhalten. Doch wer rührt sich da eigentlich?
So ist die Berliner Umweltbewegung, einst aktiver Teil der Friedenbewegung, bei den Antikriegsaktionen in der ersten Reihe bisher nicht auszumachen. In der Landesgeschäftsstelle der Grünen Liga hängt eine Friedenstaube im Schaufenster, und in der kostenlosen Umweltzeitung gibt es einen Artikel über die Folgen des letzten Irakkrieges. An den Wänden weisen Plakate auf das Umweltfestival im nächsten Monat hin. Das Motto: „Frischer Wind und sonnige Zeiten“. „Wir machen den Seiteneinstieg“, erklärt Sprecherin Karen Thormeyer. So sei der Einsatz für erneuerbare Energien „aktive Friedenspolitk“, sagt Geschäftsführer Stefan Richter.
Die Berliner Sektion des Naturschutzbundes (Nabu) könne zum Thema Irak leider nicht offiziell aktiv werden, verlautet es aus der Pressestelle. Die Frühjahrszeit sei in Bezug auf den lokalen Naturschutz sehr arbeitsintensiv, zudem ziehe man noch in diesem Monat um, heißt es zur Begründung in dem Schreiben weiter. Ebenso ist der Landesverband des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND) aus Kapazitätsgründen nicht in der Lage, Aktionen gegen den Krieg zu organisieren. Das sagt zumindest Sprecherin Carmen Schultze. Man halte sich aber auch bewusst zurück, auf konkrete Gefahren oder gar deren Abwehr hinzuweisen. Es sei noch zu früh dafür, und es gebe so wenig gesicherte Daten. Die Frage, ob sich Berliner Umweltgruppen zum Thema Krieg engagieren, beantwortet die Stiftung Naturschutz Berlin so: Kein Kommentar.
Während Globalisierungskritiker, Schüler oder auch Gewerkschaften massiv mobilisieren, sind viele Umweltschützer eher verunsichert im Umgang mit dem Krieg. Das vermutet zumindest Undine Kurth, naturschutzpolitische Sprecherin der Bündnisgrünen im Bundestag. Angesichts des menschlichen Leids erscheine es manchen Gruppen wohl unangemessen, jetzt auf Umweltschäden hinzuweisen, sagt sie. „Doch zu den indirekten Folgen der Umweltzerstörungen gehört, dass sie schließlich auch Rückschläge für die Existenz der Menschen bedeuten.“ Von daher müsse das Thema Umwelt im Krieg mit mehr Aufmerksamkeit versehen werden, fordert Kurth. Zudem agiere die Umweltbewegung im politischen Raum, und die Auseinandersetzung mit dem Irakkrieg führe man auch in eigener Sache. Wenn man aber an einigen Stellen auf die Landes- oder auch Regionalebene der Umweltverbände schaue, fehle diese Politisierung manchmal noch.
Der Krieg spielt keine gesonderte Rolle bei vielen Organisationen. Keine Leute, keine Zeit, kein lokales Thema – das sind die oft genannten Gründe dafür, dass die Landesverbände als Institutionen nicht federführend bei der Friedensbewegung dabei sind. Die Verbände geben jedoch an, dass viele Mitglieder privat gegen den Militäreinsatz im Irak aktiv seien.
„Natürlich engagieren sich auch Umweltschützer bei uns gegen den Krieg“, bescheinigt so beispielsweise Carl Waßmuth von Attac Berlin. Das Globalisierungsnetzwerk ist Träger der „Achse des Friedens“, die zur heutigen Demo aufruft. Auch habe Attac schon Räume – etwa die der Grünen Liga – nutzen können. „Die organisierte Umweltbewegung aber trägt weder die Aufrufe zu Antikriegsdemos mit, noch startet sie eigene Aktionen.“ Waßmuth geht damit allerdings auch selbstkritisch um: „Wir haben bei unserer Suche nach gesellschaftlicher Unterstützung die Umweltbewegung schlicht vernachlässigt.“
Durch gesonderte Stellungnahmen und Aktionen zum Krieg, über die lokale Begrenzung der Arbeit hinauszugehen, versuchen Aktivisten von Greenpeace unter anderem mit einer Mahnwache auf dem Mittelstreifen Unter den Linden in der Nähe der Botschaft der Vereinigten Staaten. Ein Plastikunterstand, ein paar Stühle und Thermoskannen bilden das Lager, das im Schichtwechsel von drei oder vier Leuten besetzt ist. „Frieden und Umwelt lassen sich nicht voneinander trennen. Frieden ist Wasser, Luft und Boden“, sagt Jörg Feddern, Biologe und Mitarbeiter der Umweltorganisation. „Die Umwelt ist Länder- und Staatenübergreifend.“ Umweltschutz könne nur noch international sein.