: Präsentation, Protest und Pustekuchen
Party auf dem Rathausmarkt endet früher als erhofft. Bambule-Demonstranten im Kessel mittendrin. Wedel-Werbefilm kurzfristig abgesetzt
Henning Voscherau bläst die Backen auf. Kurz bevor in München die deutsche Olympia-Bewerberstadt bekannt gegeben wird, steht der Ex-Bürgermeister (SPD) und Olympia-Beauftragte des Senats in einer abgeschiedenen Ecke des Rathaus-Balkons und verschafft sich durch kräftiges Ausatmen Erleichterung. So kann er auch den Schlag besser wegstecken, dass sich Leipzig durchgesetzt hat. Voscherau macht ein Gesicht, als habe er die Niederlage schon erwartet, dreht sich um und geht.
Viel war spekuliert worden, wie sich die Unterstützer Düsseldorfs verhalten würden, wenn ihre Stadt vor Hamburg ausschiede. Nachdem zunächst Stuttgart, dann Frankfurt/Main von den Mitgliedern des Nationalen Olympischen Komitees (NOK) aus dem Rennen geworfen worden waren, gingen im letzten Wahlgang 23 von 35 Düsseldorfer Stimmen an Leipzig.
Der Grund dafür könnten die Kabbeleien zwischen beiden Bewerberinnen gewesen sein. Gab es aus Düsseldorf zunächst Kritik an der Unterstützung der Hamburger Medien für die Hansestadt, bezichtigte Voscherau den einflussreichen Präsidenten des Kanuten-Verbandes Ulrich Feldhoff des Kungelns für Düsseldorf und musste sich dafür entschuldigen. Feldhoff wiederum hatte vor der Wahl gegen Hamburg gestichelt: Emotionale Inszenierungen lenkten von einer sachlichen Entscheidung ab.
Keine hochnäsigenPfeffersäcke
Der Aufsichtsrat der Hamburger Bewerbungsgesellschaft kippte daraufhin den bei Dieter Wedel in Auftrag gegebenen, auf Emotionen setzenden Präsentationsfilm kurzfristig zugunsten eines Werbefilms der Agentur Springer & Jacoby. Wedel („Die Affäre Semmeling“) hatte mit einer fiktiven Geschichte „der Peinlichkeit des permanenten Selbstlobes mit Selbstironie“ begegnen wollen. Der Film sei nicht konventionell genug fürs NOK gewesen, hieß es.
Stattdessen war ein schnell geschnittener Film zu sehen, der die wesentlichen Argumente Hamburgs mit dem Bekenntnis Prominenter verband, sie seien „Feuer und Flamme für Hamburg“. Vor dem NOK versuchte Ole von Beust das Vorurteil auszuräumen, in Hamburg lebten kaltherzige, hochnäsige Pfeffersäcke. „Das stimmt nicht!“, versicherte der Bürgermeister.
Auf dem Rathausmarkt holte sich Fernsehmoderator Reinhold Beckmann nach dem Ende von Hamburgs Präsentation Jan Fedder vom Großstadtrevier und Freddy Quinn auf die Bühne. Fedder versicherte, dass die Hamburger quietschfidel seien und sich gerne einen hinter die Binde kippten. Freddy Quinn stimmte notgedrungen zu. Karl Dall, der im Publikum stand, bewies seine überragende Kenntnis der Sportwelt mit der Ankündigung, er würde sich mit Achter-Rudern an einem olympischen Triathlon in Hamburg beteiligen.
FSK-Journalist beimBerichten behindert
Während der mehr als dreistündigen Party füllte sich der Rathausmarkt zusehends, bis kaum mehr ein Durchkommen war. Das im Vergleich zu den anderen Städten zunächst zurückhaltende Publikum kam zusehends in Stimmung. Aus der Menge heraus skandierten von der Polizei eingekesselte Bambule-Demonstranten Anti-Olympia-Parolen.
Die Bambulistas waren vom Hachmannplatz aus protestierend durch St. Georg gezogen. In der Kirchenallee wurden sie von einer Polizeikette für kurze Zeit aufgehalten. Der FSK-Journalist Werner Pomrehn wurde von der Polizei gewaltsam bei der Berichterstattung behindert. Die Polizei versuchte, den Rathausmarkt weiträumig gegen Bambule-Verdächtige abzuschirmen. Wer bunte Haare hatte oder ein Nietenhalsband trug, hatte Probleme durchzukommen.
Die Niederlage Hamburgs wurde von der großen Menge zunächst ungläubig aufgenommen und dann mit Buh-Rufen quittiert. Voscherau kam das alles irgendwie bekannt vor: „Das Gefühl hatte ich in der Bundespolitik schon oft.“ Gernot Knödler