: Straße durch das Hüttendorf
Für den Weiterbau der B 74 in Blumenthal soll Bremens einziger Abenteuerspielplatz weichen. Pech für die Kinder, die an dem sozialen Brennpunkt wohnen: Ihnen bliebe künftig nur noch der Platz zwischen den Hochhäusern
taz ■ Nageln, klopfen, sägen, hämmern, messen, planen, graben, stellen. Der Bauboom auf Bremens einzigem Abenteuerspielplatz in Lüssum ist noch ungebremst. Bald aber könnten Bulldozer das kleine Paradies der Knirpse dem Erdboden gleich machen.
Denn wo heute das Hüttendorf steht, sollen nach dem Willen des Bundesverkehrsministeriums, des Bremer Senats und der CDU/SPD-Mehrheit im Beirat Blumenthal in Zukunft Autos und Lkws über den Asphalt brausen. „Die Kinder können dann nur noch zwischen den Wohnblocks spielen“, sagt Siggi Renz, Betreuer auf Bremens einzigem Abenteuerspielplatz.
Für 10,2 Millionen Euro, so die Pläne, soll die B 74 von ihrem nördlichen Ende am Kreinsloger in Blumenthal um 2,7 Kilometer in Richtung Farge verlängert werden – als zweispurige ebenerdige Straße mit Ampelkreuzungen und Tempo 60. Statt wie bisher durch Rönnebeck soll der Autoverkehr dann um Rönnebeck herum zur Farger Schwerlastfähre rollen – 12.000 bis 16.000 Autos täglich, haben die Verkehrsplaner vor Jahren einmal prognostiziert.
Der Blechlawine weichen müssten die Kinder und Jugendlichen. Allein in den Wohnblocks in der Lüssumer Heide, dem Lüssumer Ring und den angrenzenden Nebenstraßen – das Gebiet gilt als „sozialer Brennpunkt“ – wohnen knapp 1.000 von ihnen. Über ein Drittel der Bevölkerung hier ist unter 18 Jahren. Kommt die Straße, müssen sie noch dichter zusammenrücken. Sozialarbeiter Renz, der vor 25 Jahren mit Zustimmung der Stadt den Abenteuerspielplatz gegründet hat, weiß: „Das gibt nur noch mehr Probleme.“
Renz und seine MitstreiterInnen von der Bürgerinitiative „Keine neue Bundesstraße B 74 durch Lüssum, Rönnebeck und Farge“ halten die geplante Straße schlicht für überflüssig. Der Verkehr auf der Ortsdurchfahrt habe in den letzten Jahren stetig abgenommen, auch die Fähre in Farge transportiere Jahr für Jahr weniger Fahrzeuge über die Weser, argumentieren sie. Und wenn demnächst der neue Wesertunnel zwischen Kleinensiel und Dedesdorf in Betrieb gehe, würden noch weniger Autos durch Rönnebeck fahren – Entlastungen durch eine mögliche Reaktivierung der Eisenbahnstrecke nach Farge gar nicht eingerechnet. Der Straßenbau dagegen, betont Renz, mache viele Anstrengungen im Quartier wieder zunichte.
Rund hundert AnwohnerInnen haben bereits Einspruch gegen die neue Straße eingelegt. Gestoppt wurde das Vorhaben deswegen allerdings nicht. Der Planfeststellungsbeschluss, Voraussetzung für den Bau der Bundesstraße, soll nach Auskunft des zuständigen Bremer Bauressorts schon in den nächsten Wochen ergehen.
Im Entwurf für den neuen Verkehrswegeplan ist der Weiterbau der B 74 als „vordringlicher Bedarf“ verzeichnet. Bei der Finanzierung hätten zwar laufende Projekte Vorrang. Man sei aber „gut vorbereitet“, um mit der B 74 sofort starten zu können, wenn Geld frei sei, sagt Bauressortsprecher Holger Bruns.
Der Abenteuerspielplatz, bisher vom Spielhaus Lüssumer Heide zusammen mit dem Verein „Nachbarschaft Neuenkirchener Weg“ betreut, könnte nach den Vorstellungen der Behörden auf ein benachbartes Grundstück verlegt werden – jenseits der neuen Straße. „Dann können wir den Platz nicht mehr betreuen“, sagt Renz dazu. Wenn die Asphaltmischer tatsächlich kommen, da ist er sicher, „dann stirbt hier ’ne ganze Menge.“
Armin Simon