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Archiv-Artikel

So machte ihm das keinen Spaß mehr

Zum Tod des italienischen Radprofis, Giro- und Tour de France-Siegers Marco Pantani: Ein persönlicher Nachruf

Es gibt nicht viele, die Marco Pantani nicht gemocht hätten. Und bei aller nötigen Distanz des Journalisten: Ich habe ihn sehr gern gehabt. Zum einen, weil er einer der beeindruckendsten Bergfahrer aller Zeiten war. Der konnte mit seinem unnachahmlich rhythmischen Wiegetritt selbst Nähmaschinen grün vor Neid werden lassen. Zum anderen, weil Pantani der netteste Tour-de-France-Sieger war, den ich kenne. Einer, der auch dann nicht eitel wurde, als er 1998 erst den Giro d’Italia und dann die Tour de France gewann.

Und deshalb wünschte ich mir, Pantani hätte doch einfach nur sein Rad zersägt! Das hatte er mir noch entgegengeschleudert, als er beim Giro 1999 zwei Tage vor Schluss und kurz vor seinem zweiten Sieg in Folge wegen des Verdachts auf Doping aus dem Rennen genommen wurde und zornig ins Auto stieg.

Vor einer Woche verbarrikadierte sich Pantani und in einem mittelklassigen Strandhotel in Rimini und starb, gerade 34 Jahre alt. Allein, auf dem Boden neben dem Bett, zwischen ein paar Zetteln mit persönlichen Notizen. Vermutlich an einer Überdosis Beruhigungspillen. Die Autopsie ist für heute angesetzt. Der Tod trat gegen fünf Uhr Samstagabend ein, erklärte der ermittelnde Staatsanwalt Paolo Gengarelli der Gazzetta dello Sport.

Das letzte Mal sprach ich ihn am 13. Juli 2000. Mont-Ventoux-Etappen sind immer spektakulär, aber diese war außergewöhnlich. Pantani, von den meisten damals schon sportlich totgesagt, besiegte Armstrong, nach einem nervenaufreibenden Duell. Die Zerstreuungsfabrik Fernsehen hatte einen alten Helden wieder. So schien es.

Tatsächlich kann ein Mann wie Armstrong mit Niederlagen nicht leben. „Ich habe Pantani gewinnen lassen und jetzt spielt er sich auf“, empörte sich der US-Amerikaner. Pantani erzählte mir an diesem Abend resigniert, so mache das keinen Spaß mehr. Helden müssen positive Typen sein. Pantani taugte nicht mehr zum Helden. Er hätte lieber verloren, als sich etwas schenken zu lassen. Fünf Tage später gab er die Tour auf.

Wie zerbrechlich Marco Pantani war, war wohl niemandem klar. Beim Giro im Vorjahr schaffte er noch einmal den 14. Gesamtplatz, es schien ein Neuanfang. Aber wer ihn nicht mochte, berichtete schadenfroh. Selbst dann noch, als bekannt wurde, dass Pantani wegen seiner Depressionen in psychiatrischer Behandlung sei, statt Rennen zu fahren. Als wäre das eine gerechte Strafe für seine Dopingvergangenheit. MIRJAM FISCHER