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Archiv-Artikel

Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Die Münte-SPD wird sich die Arbeitsplatzabgabe trauen und Wirtschaftsminister Clement nie mehr Bundeskanzler werden. Und natürlich hat die Opposition Recht damit, die Zivildienststellen mit Langzeitarbeitslosen zu besetzen!

taz: Was war schlecht in der letzten Woche?

Friedrich Küppersbusch: Das dumpfe Gefühl, dass alle Empörung und kluge Warnung vor dem Menschenklonen und Säuglingsschlachten den medizinischen Ehrgeiz nicht aufhalten wird. Im Vergleich zu Ärzten, die künstlich erzeugte Embryos zu Medizin zentrifugieren, hat der Kannibale von Rotenburg einfach nur zu lange gewartet.

Was wird besser in dieser?

Ich hatte schon letzte Woche besseres Wetter angeordnet und wünsche diesbezüglich nicht, noch mal enttäuscht zu werden.

Gerhard Schröder hat mal wieder die Bild- Zeitung und Springer als Feind entdeckt. Hat er Recht? Oder ist das ein platter Versuch der Regierung, die Presse an die kurze Leine zu nehmen? Oder einfach Verzweiflung, weil ja irgendjemand am SPD-Desaster schuld sein muss?

Um von Bild enttäuscht sein zu können, muss man von ihr etwas anderes erwartet haben – oder gar: gewohnt sein –, als von ihr gewöhnlich zu erwarten ist. Also ist wohl auch von enttäuschter Liebe zu sprechen. So was wird ja oft emotional: Liebe ist … wenn man hinterher ’nen ganz üblen Kater hat. Bis Weihnachten drosch Bild auf alles ein, was beim Steuernsenken nicht mitschröderte. Kaum waren die Reformen durch, ging’s mit Praxisgebühr und Rententabellen in Gegenrichtung weiter.

Clement hat präventiv schon mal mit Rücktritt als SPD-Vize gedroht. Ist das nur Taktik? Oder der Auftakt des kommenden Flügelkampfes zwischen dem Traditionalisten Müntefering und dem Wirtschaftsliberalen Clement?

Ein Kollateralschaden der Rochade ist, dass Clement nicht mehr oder nur noch über Münteferings Leiche Kanzler werden wird. Spätestens nach den vergeigten Hamburg- und Europawahlen werden wir eine erneute Personaldebatte erleben, die glimpflich verläuft, wenn es nur zu einer Kabinettsumbildung kommt. Die Aufwertung Münteferings gegenüber Clement riecht also nach Schröders Führungsprinzip „Teile und herrsche!“

Wird sich die Müntefering-SPD wirklich trauen, den Parteitagsbeschluss über die Ausbildungsabgabe in Regierungspolitik umzusetzen?

Ja.

Die IG Metall hat in Baden-Württemberg den Angriff auf die 35-Stunden-Woche pariert. Ein Erfolg, oder? Und das nach Münteferings Karrieresprung. Existiert die SPD-Gewerkschaftswelt noch?

Die Arbeitgeber hatten nach dem vergeigten Streik im Vorjahr Oberwasser. Dann haben sie mit Lohnsenkung und Mehrarbeit eine steinzeitliche Maximalforderung gewagt. Nur vor diesem Hintergrund konnten sie der IGM eine weitere herbe Niederlage zumuten, weil die das dann als Vernunftkompromiss und Abwehr des GAUs darstellen kann.

Am Mittwoch werden sich Schröder, Blair und Chirac treffen und die Bildung einer gemeinsamen „schnellen Eingreiftruppe“ verkünden. Ist der Kern einer EU-Armee? Und brauchen wir so was?

Mit der „Verteidigung Deutschlands am Hindukusch“ ist längst erreicht, was wir alten Kriegsveteranen die „völlige Überdehnung der Front“ nennen. Sprich: Das Grundgesetz erlaubt die „Landesverteidigung“ und den Anschluss an ein „Bündnis kollektiver Sicherheit“. Damit ist die reine Landesverteidigung schon fragwürdig ausgeweitet auf die Außengrenzen des Bündnisses, hier: der Nato. Da sich die Nato aber neuerdings global angegriffen sieht, landet die Bundesregierung bei weltweiter Landesverteidigung – bizarr. Jede Armee, die sich im Zweifel erst mal ’ne Woche gedulden muss, bevor sich alle Chefs geeinigt haben, wäre ein Fortschritt. Und eine ehrliche Definition ihrer Zwecke in einer europäischen Verfassung auch.

FDP-Vize Brüderle und mehrere Unionspolitiker fordern, Langzeitarbeitslose sollen vakante Zivildienstplätze ausfüllen. Gut?

Sehr gut! Ich freue mich vor allem auf die Gewissensprüfung der Arbeitslosen: „Stellen Sie sich vor, im Stadtpark wird ein Arbeitsplatz vergewaltigt, und Sie könnten helfen!“ Auch werden gewiss mehr Leute arbeiten, wenn man dort den Führerschein machen kann oder funken lernt. Akademisch vorgebildete Arbeitslose könnten auch liegen gebliebene Forschungsarbeit erledigen, z. B. Studien über den Reichsarbeitsdienst.

Der Tod des italienischen Radprofis Marco Pantani wird die Debatte um selbstmörderisches Doping erneut beleben. Einzelschicksal oder Symptom?

Pantani scheint ein Opfer lascher Dopingkontrollen geworden zu sein: Je heftiger und früher kontrolliert wird, desto geringer die Gefahr, dass eine rollende Apotheke wie er in einem Jahr Tour und Giro gewinnt. Und mit den Folgen nie mehr klarkommt. Hand aufs implodierende Herz: Wir Fans würden es nicht mal sehen können, wenn die einen 46er-statt eines 49er-Schnitts führen.

Bochum schlägt die Bayern – ist das schön!

Oh ja.

Und was macht Borussia Dortmund?

Freut sich gar nicht richtig über neuerdings kursierende 200-Euro-Scheine mit Sammer-Foto, Westfalenstadion und BVB-Logo.

FRAGEN: SR, FK