: „Ich bin nicht der liebe Gott“
Interview RALPH BOLLMANNund PATRIK SCHWARZ
taz: Herr Wichmann von der CDU, haben Sie eigentlich auch einen Vornamen?
Herr Wichmann von der CDU: Ich heiße Henryk.
In einer eigenen Rubrik erklärt Herr Wichmann von der CDU tazzlern die Welt – hören die überhaupt auf Sie?
Das müssen sie ja gar nicht. Umgekehrt gilt: Ich habe auch kein Brett vor dem Kopf. Ich habe mich immer auseinander gesetzt mit linken Positionen. Das geht gar nicht anders, wenn man im Osten Politik macht für die CDU.
Warum?
Na, wir haben schließlich eine starke PDS in Brandenburg, und auch eine starke SPD. Im Kreistag, wo ich seit fünf Jahren bin, habe ich mich sehr dafür eingesetzt, dass wir eine große Koalition zustande bringen. Ich hab da keine Berührungsängste.
Waren Sie je in Versuchung, ein Linker zu werden?
Nee, nie! Nur weil ich jung bin, muss ich nicht links sein. Ich habe früh erkannt, dass ich vom Typ, vom Naturell her ein Konservativer bin.
Was heißt das für Sie?
Also dazu gehört, Werte, die man für richtig befunden hat, hochzuhalten und weiterzuführen. Auch wenn der Zeitgeist vielleicht sagt, das ist altmodisch, das macht man nicht mehr. Mir ist Ehe zum Beispiel wichtig. Ich möchte, dass wir lebenslang zusammenbleiben, meine Verlobte und ich, und dass es nicht nur beliebig und kurzweilig ist. Das mag man statisch nennen oder auch festgefahren an manchen Stellen, aber mir liegt das, und ich mag das, und ich find das gut.
Und Linke haben keine Werte?
Doch, aber die setzen mir zu sehr auf Verallgemeinern, auf Vergesellschaften.
Schadet es Ihnen in Ihrer Partei, regelmäßig in der taz zu erscheinen?
Keine Ahnung, ich frag da niemanden. Bei mir in der Uckermark liest kaum jemand die taz, muss ich dazu sagen. Von daher ist es für mich kein großes Risiko. Und was die anderen sagen, das warten wir mal ab. Vielleicht meldet sich da noch der eine oder andere bei mir.
Und Sie, haben Sie die taz schon mal in der Hand gehabt?
Na klar.
Und?
Ich finde sie … lesbar.
Danke.
Bei mir zu Hause habe ich den Uckermark-Kurier.
Da wechseln wir lieber das Thema. Muss man sich verkleiden, wenn man als Junger was werden will in der CDU: Anzug, Krawatte, Föhnschnitt?
Sie sehen, ich hab kein Hemd an und keine Krawatte. Wir sind nicht die FDP, wir müssen nicht mit gelbem Sacko rumlaufen und gebügeltem Hemd. Es geht auch ganz anders, das macht nicht den Konservativen aus.
Warum leben Sie als Konservativer in wilder Ehe? Mit kleiner Tochter?
Bei uns hat herein gespielt, dass es auch zeitlich einfach nicht ging mit dem Heiraten. Wir hatten den Wahlkampf voriges Jahr, wir hatten eine Unmenge zu tun. Wir haben uns dann ja rechtzeitig verlobt, bevor das Kind zur Welt kam, und werden dann – sowie sich’s zeitlich einrichtet – auch heiraten, das ist völlig klar. Ich hab kein Problem damit, ob man den Trauschein ein paar Wochen früher oder später bekommt, wichtig ist, dass man sich in der Beziehung darüber klar ist, dass man zusammenbleiben will.
Angela Merkel hat jahrelang in wilder Ehe gelebt.
Genau, und unsere Bundestagsabgeordnete Katharina Reiche ist auch immer noch nicht verheiratet. Von daher haben wir damit unsere Erfahrungen in der CDU.
Politisch könnte man Sie für einen Opportunisten halten. Sie haben im Wahlkampf weder einem erklärten REP-Wähler widersprochen noch einem Mann an Ihrem Stand, der George Bush mit Adolf Hitler gleichsetzte. Bereuen Sie das?
Nö! Ich seh’s nicht ein: Warum sollte ich mich mit jemandem, der mir offen sagt, er wählt REPs, noch länger unterhalten? Zumal, wenn ich merke, er ist von seiner Position überzeugt? Das habe ich nicht nötig.
Wie wär’s mit Haltung zeigen?
Ich kann ihm nur anbieten, noch mal darüber nachzudenken, ob es richtig ist, diese Partei zu wählen. Ich kann ihm sagen, das ist aussichtslos, und es ist natürlich dumm. Und ich kann ihm anbieten, möglicherweise CDU zu wählen. Mehr kann man in so ner Situation nicht machen, und mehr kann man von einem 25-Jährigen nicht verlangen. Ich bin nicht der liebe Gott.
Sie wollen so jemanden als Wähler?
Ich sage das ganz ehrlich: Was manche Positionen angeht, sind die bei uns ein Stück weit gut aufgehoben. Uns ist die Nation wichtig, das haben wir bei der Zuwanderung deutlich gemacht. Ich muss doch nicht generell widersprechen, wenn eine Frau sagt, wir wollen nicht zu viele Ausländer in Deutschland haben. Ich kann ihr doch sagen, was unsere Position ist zum Zuwanderungsgesetz. Wir wollen nicht unbegrenzt Zuwanderung in dieses Land. Warum soll man das nicht sagen können?
In dem Film über Sie gibt es eine Szene, da stehen Sie vor einer Imbissbude und singen „Einigkeit und Recht und Freiheit“.
Das mag ein bisschen skurril wirken und war’s vermutlich auch. Aber ich hab mir das ja nicht ausgesucht: Der Imbissbudenbesitzer hat immer drum gebeten, dass ich unbedingt vor der Wahl noch einen Auftritt bei ihm mache. Und zwei, drei Tage vor Schluss habe ich das noch reingeschoben und habe mit den Leuten dort diskutiert, so acht oder zehn waren es. Die waren schon ein bisschen angetrunken, das kann man denen nicht verbieten, das ist nun mal so in dem Ambiente. Wenn dann hinterher der Imbissbudenbesitzer sagt, er macht die Nationalhymne an, dann singe ich mit, da steh ich nicht dumm daneben.
Für die meisten taz-Leser ist diese Vorstellung superbizarr. Warum stellen Sie sich da hin und machen das?
Mir bedeutet die Nationalhymne sehr viel und vor allem der Text dieser dritten Strophe. Wir singen ja nicht die erste und zweite Strophe, aus gutem Grund, aus historischem Grund. Das wäre verwerflich gewesen. Wir singen die Strophe des Deutschlandliedes, die nach unserer Verfassung unsere Nationalhymne ist. Für mich war das meine letzte Wahlkampfveranstaltung. Warum soll man da nicht noch das Deutschlandlied anstimmen, wenn es den Leuten gefällt und Spaß macht? Das ist doch eine schöne Sache.
Ihre Freundin wirkt immer so, als stehe sie Ihren Aktivitäten eher distanziert gegenüber.
Das war auch so zum damaligen Zeitpunkt. Wir haben uns erst ein Dreivierteljahr vor Beginn des Wahlkampfs richtig kennen gelernt. Ich war also die ganze erste Zeit unserer Beziehung viel mit dem Wahlkampf beschäftigt, da hat sie natürlich auch ein Stück weit darunter gelitten. Mittlerweile weiß sie, dass das zu mir gehört.
Die Distanz ihrer Freundin strahlt eher Coolness aus: Politik, das ist halt so ein Spiel von Jungs im Sandkasten.
Sie ist kein unpolitischer Mensch, das kann man nicht sagen. Sie ist ja selbst in der Jungen Union, da haben wir uns auch kennen gelernt. Und sie studiert Philosophie und Germanistik. Dass sie eine Abneigung hat gegen manches, was so alles zum politischen Geschäft drumherum gehört, das muss ich akzeptieren, das ist doch normal.
Sie sind älter und ehrgeizig, ihre Freundin ist jünger und kümmert sich ums Kind. Der Verdacht kommt: Sie machen Karriere auf Kosten Ihrer Frau.
Den Eindruck habe ich nicht. Im Moment mache ich gar keine Karriere. Ich studiere ja auch, und wir leben ein ganz normales Studentenleben in Berlin. Vielleicht kriegt sie irgendwann ein tolles Angebot, und ich werde dann Hausmann.
Das ist doch rhetorisch, das sagen heutzutage alle Männer.
Ne, das hat doch gar nix damit zu tun, ob ich Mann oder Frau bin. Das sollte man in der Familie davon abhängig machen, wer die besseren Erfolgsaussichten hat oder auch einfach ein bisschen mehr Geld verdienen kann.
Politik wird immer mehr zum Unterhaltungsgeschäft, heißt es oft …
… ja, da geht es dann mehr um die Farbe der Krawatte, das finde ich schon traurig und verwerflich.
Aber der neue Star dieses Trends sind Sie.
(lacht) Das kann man so nicht sagen. Ich bin schon ein Mensch, dem Inhalte sehr wichtig sind. Alles andere nützt ja auch nicht wirklich der Entwicklung in unsrem Land.
Aber haben Sie dem Film über Sie nicht einfach zugestimmt nach dem Motto: Jede Berühmtheit ist besser als keine Berühmtheit?
Nein, ich habe mir ja überhaupt nicht ausgemalt, dass der Film zu irgendeiner Berühmtheit führen könnte. Und das hat er ja auch nicht wirklich. Da steht jetzt ein paar Tage was in der Zeitung und dann ist es das auch wieder vorbei. Außerdem ging es ja um einen Dokumentarfilm im Auftrag des Bayerischen Rundfunks, der irgendwann nachts um elf laufen sollte. Und ich dachte, es wird höchstens ein paar Verrückte geben, die nachts wach sind und mal reinschauen.
Aber warum haben Sie mitgemacht in einem Film, wo das Publikum dauernd über Sie lacht?
Ich hatte nicht den Eindruck, dass da über mich gelacht wird. Ich hatte ja das Recht, gegen Szenen Einspruch zu erheben, aber ich habe davon nie Gebrauch gemacht. An den Stellen, wo gelacht wird, kann ich auch schmunzeln. Deshalb tut das auch nicht weh.
Sind Sie ein Donald Duck der Politik: man lacht mit dem traurigen Helden über die Ausweglosigkeit seines Unterfangens?
Kann sein. Im Wahlkampf stand ich gegen den SPD-Abgeordneten auf verlorenem Posten, das war ja klar. Wir haben früher bei den Direktkandidaten in der Region immer so 17, 18 Prozent gehabt. Das habe ich schon deutlich steigern können, auch wenn das wegen des Neuzuschnitts der Wahlkreise am Ende nicht so zu sehen war. Aber mir war auch mal wichtig, einem weiteren Publikum zu zeigen, wieviel Idealismus hinter so einem Wahlkampf steckt und was es auch an eigenem Geld kostet. Viele denken ja, wenn man Bundestagskandidat ist, dann zahlt die Partei alles und man lebt in Saus und Braus.
Sie fahren immerhin ein dickes Auto.
Das ist ein 190er Mercedes, der ist vielleicht noch 500 Euro wert. Wenn das für Sie ein dickes Auto ist …
Warum kein BMW?
Das ist mir zu sportlich, zu modern. Da ist zu wenig Chrom dran – das ist ein ganz anderer Anblick. Ich bin einfach Mercedes-Fan, von klein auf, schon zu DDR-Zeiten war das so. Und einen 190er zu fahren muss erlaubt sein. Wenn das nicht geht – das geht zu weit.
Noch Fragen? HerrWichmann@taz.de