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Archiv-Artikel

Naturidyll das Wasser abgraben

Der Bezirk Mitte wehrt sich gegen Pläne, ehemaliges Wasserwerksgelände Kaltehofe zu Gewerbegebiet zu machen.Technik-Denkmal von besonderem ökologischem Wert. Bürgerinitiative will Naherholungsgebiet für Rothenburgsort

von GERNOT KNÖDLER

Im Bezirk Mitte geht die Sorge um, die Halbinsel Kaltehofe zwischen Norderelbe und Billwerder Bucht könne als Gewerbegebiet ausgewiesen werden. Die Fraktionen der Bezirksversammlung, von der GAL bis zur CDU, halten das für keine gute Idee. Sie regten an, ein Agenda-21-Projekt auf dem Gelände des ehemaligen Wasserwerks auszuweisen. Damit liegen sie dicht bei den Vorstellungen der Stadtteilinitiative Hamburgs Wilder Osten (HWO), die das Gebiet für die Naherholung erhalten will.

Auf der Halbinsel wurde nach der Cholera-Epidemie von 1892 das Hygiene-Institut gegründet. Die Hamburger Wasserwerke (HWW) bauten 26 Filterbecken. 1989 wurde das Werk stillgelegt und liegt seitdem brach.

HWO wurde durch verwaltungsinterne Vorschläge einer zweiten Tranche von Wohnungsbau- und Gewerbeflächen für das Leitbild „wachsende Stadt“ aufgeschreckt, die die GAL veröffentlicht hatte. Die zauberhafte Landschaft um die ehemaligen Filterbecken sei ein beliebtes Ausflugsziel und ein grünes Trittbrett für Touren in die Vier- und Marschlande, schreibt die Initiative für mehr Lebensqualität in Rothenburgsort. Überdies habe sich das ungenutzte Gelände zu einem Refugium für Wasservögel, Wild und zahlreiche Insektenarten entwickelt. „Die Idee, diese Landschaft mit einem Gewerbegebiet zuzubauen, ist unglaublich: unglaublich dreist, unglaublich schlecht, unglaublich weit an den Bedürfnissen von Stadt und Stadtteil vorbei“, kritisiert HWO.

Nach den Vorstellungen der Initiative sollte die Halbinsel sehr behutsam und unter Beteiligung der Menschen in Rothenburgsort „als Naturreservat und für Freizeit und Naherholung weiterentwickelt werden“. Eine Möglichkeit wäre die Ausweisung eines Skater-Rundkurses, für den sich die Initiative schon seit Jahren stark macht. Wenn die Stadt unbedingt Gewerbeflächen ausweisen wolle, dann biete sich dafür das Gelände des ehemaligen Huckepackbahnhofs an der Billhorner Brückenstraße an (taz hamburg berichtete). Zurzeit warten dort Autos auf ihren Export nach Afrika.

Die Mehrheit der Bezirksversammlung sieht das ähnlich. Im Stadtplanungsausschuss regten CDU, SPD und GAL an, die Verwaltung möge Vorschläge für ein Agenda-21-Projekt im Sinne nachhaltiger Entwicklung zu erarbeiten. Dabei solle es um Freizeit, Natur und Sport gehen.

„Wohnungsbau werden wir nicht hinkriegen und Gewerbe wollen wir nicht“, sagt der SPD-Fraktionsvorsitzende im Ortsausschuss, Axel Wieder. „Die Luftschadstoffbelastung durch die Affi ist immer noch über den Grenzwerten“, ergänzt der GAL-Bezirksabgeordnete Mathias Bölckow. Vor allem der Arsen-Eintrag in dem Gebiet verbiete Wohnungsbau.

Wieder möchte deshalb die Naturfreunde in die Konzepte für Kaltehofe einbinden. Auch über die Idee des Umweltverbandes GÖP für ein neues Naturschutzgebiet (siehe Kasten), das die Halbinsel einschlösse, sei im Rahmen des Agenda-21-Projekts zu reden. Insbesondere gelte es, eine Nutzung für die Dienstvilla auf dem Gelände zu finden. Das ehemalige Wasserwerk kann er sich als Technik-Museum vorstellen, wo man zeigen könne, „wie früher Wasser für Hamburg gewonnen wurde“.

Ob das Gelände in die endgültige Liste der Gewerbegebiete aufgenommen wird, ist offen. Die Baubehörde sei dabei, die Liste mit den anderen Behörden und den Bezirken abzustimmen, sagt deren Sprecherin Claudia Eggert. Zum Ergebnis könne sie noch nichts sagen.